Willkommen im Durchschnitt

MARKTFORSCHUNG Bremen hat Osnabrück als mittelmäßigste Großstadt den Rang abgelaufen. Konsumforscher freut’s: Besser als hier kann man nur noch in einem pfälzischen Dorf Zahncremes testen

Die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Ergebnisse aus Bremen auf das ganze Land übertragen lassen, „liegen bei 98 bis 99 Prozent“

Wo Mittelmaß gefragt ist, kann Bremen punkten. „In Deutschland ist der Bremer Testmarkt einzigartig“, sagt Christoph Burmann, BWL-Professor an der Uni Bremen. Was lange Zeit Osnabrück nachgesagt wurden, gilt nun für Bremen: Bei vielen Indikatoren wie Altersstruktur, Haushaltsgröße oder Mediennutzung ist die Stadt ein verkleinertes Abbild der Republik.

Es gebe zwar noch einen vergleichbaren Testmarkt in der pfälzischen Kleinstadt Haßloch, doch dieser bilde nicht so viele gesellschaftliche Gruppen und Medien ab, sagt Burmann. In Bremen können Unternehmen Produkte unter realen Bedingungen testen und mit zuverlässigen Ergebnissen rechen. „Die Wahrscheinlichkeit, dass sich diese übertragen lassen, liegen bei 98 bis 99 Prozent.“

Entsprechend schwungvoll läuft das Geschäft mit den Produkttests an der Weser. Im Auftrag von Hautcreme-, Tiefkühlpizza- oder Pharmaherstellern testet hier etwa das Marktforschungsunternehmen Bonsai, wie neue Produkte bei den VerbraucherInnen ankommen. Die BremerInnen werden dabei zum Gradmesser für die bundesweite Akzeptanz – allerdings oft, ohne dies zu merken. Denn irgendwann taucht das Testprodukt einfach in den Regalen von Supermärkten, Apotheken oder Drogerien auf. „So wie es später nach der Markteinführung auch wäre“, sagt Bonsai-Geschäftsführer Norbert Hegmann. Die Geschäfte bekommen eine Aufwandsentschädigung, nach zwei bis drei Monaten prüfen die MarktforscherInnen dann die Verkaufszahlen. Parallel dazu läuft dann eine Werbekampagne, die nur in Bremen zu sehen ist. In den hier verkauften Zeitungen werden Anzeigen geschaltet, im TV und Radio laufen eigene Werbespots, die Bonsai extra geschnitten hat. Nach einiger Zeit befragen die Marktforscher dann eine repräsentative Zahl von Verbrauchern, um die Werbewirkung festzustellen.

Bis zu 200.000 Euro kostet so ein Test. Dabei habe die Bremer Marktforschungswirtschaft ein Problem: „Wenn sich ein Testmarkt etabliert, steigt das Risiko, dass Mitbewerber diesen beobachten und neue Produkte und Werbestrategien nachahmen“, sagt der Wirtschaftswissenschaftler Burmann. Auf der anderen Seite kann so eine Generalprobe viel Geld sparen. Denn die Flop-Gefahr liegt gerade bei Waren wie Joghurt, Keksen, Shampoo und Zahnpasta besonders hoch. „70 bis 80 Prozent der neuen Produkte fallen durch und sind nach wenigen Wochen wieder verschwunden“, sagt Martina Vollbehr, Geschäftsführerin bei der Hamburger Mediaagentur Pilot, die seit Jahren mit Bonsai zusammenarbeitet. Der Probelauf kann die Hersteller daher vor Verlusten schützen. dpa