Der Klang der englischen Arbeitsstadt

PUNK Das Wesentliche in drei Minuten ausdrücken, ist Frankie Stubbs Devise. Mit seiner legendären Band „Leatherface“ ist er der Devise gerecht geworden. Und hat ganz nebenbei Punk-Geschichte geschrieben

Mit den Arbeitern hat sich Stubbs immer wieder solidarisiert

VON KNUT HENKEL

Frankie Stubbs ist ein Kauz. Interviews sind ihm ein Greuel, seine Antworten entsprechend kurz, ein Blick auf sein MySpace-Profil ist da schon lohnender, als dem knurrigen Familienvater Informationen aus der Nase ziehen zu wollen.

Als „Hard Core Scuba Diver“ aus Sunnyland in Großbritannien hat sich der Songwriter, Sänger und Gitarrist von „Leatherface“ dort verewigt, sich stolze 101 Lenze zugeschustert und seine Verehrung für Muhammad Ali und Arthur Scargill öffentlich gemacht. Typisch für den Mann mit der Reibeisenstimme und dem ausgeprägten Humor.

Der hat auch außerhalb seiner Heimatgemeinde eine beachtliche Fangemeinde und pflegt eine Bandfreundschaft zu den Hamburger Lokalhelden von „Oma Hans“. Als Ikone des Punkrocks gilt der zottelbärtige Stubbs, weil er mit „Mush“ eines der besten Alben der Punk-Geschichte zu verantworten hat und knapp zwanzig Jahre später noch danach trachtet, einen draufzusetzen.

Jüngster Streich aus dem Haus „Big Ugly Fish“, dem Label von „Leatherface“ und Frankie Stubbs, ist „Stormy Petrel“: zwölf Stücke in bester „Leatherface“-Tradition, wenn auch nicht ganz so stark wie die Kultplatte „Mush“ von 1991. Dafür hatten Stubbs, Stefan Mush, Graeme Philliskirk und Dickie Hammond, so die aktuelle Besetzung, mehr musikalische Kontrolle – und damit auch die Kontrolle über die Einnahmen. Von denen haben die vier Ledergesichter nämlich lange nichts gesehen, wie Dickie Hammond moniert. Der ist gemeinsam mit Sänger Stubbs das Urgestein der Band, die 1988 als Quartett begann und schnell auf sich aufmerksam machte.

Und das nicht nur, weil sie an die Großmeister des melancholischen Punks „Hüsker Dü“ anknüpften, sondern auch weil sie ein Händchen für coole Coverversionen haben. „Candle in the Wind“ von Elton John haben Stubbs und Co. genauso gecovert wie „Knockin’ on Heavens Door“ von Bob Dylan oder „In the Ghetto“ von Elvis Presley.

Berührungsängste? Fehlanzeige – bei einem humorvollem Mann wie Stubbs, der mit seinem Rauschebart und dem stark ausgedünntem Haupthaar dem Zahn der Zeit Tribut zollen muss, keine Überraschung. Seinen Lebensunterhalt verdient der Mann mit der unverwechselbar knarrenden rauen Stimme im Studio, Tour und Platteneinnahmen sind nur ein Zubrot. Um den Urlaub zu finanzieren und die Präsente für Tochter Jesse zu zahlen. Denn die hält den Mann aus der englischen Arbeiterstadt Sunderland auf Trab.

Mit dem Milieu der Arbeiter hat sich Stubbs denn in seinen Texten auch immer wieder solidarisiert, wie Stücke wie „This Land“ oder „Colorado Joe/Lenningrad Vlad“ belegen. Doch auch eine Reihe echter Hymnen stammen aus der Feder des eigenwilligen Bandleaders. Erinnert sei nur an „I want the moon“ oder das energetische „How lonely“.

An diese Meilensteine reicht zwar das neue Album „Stormy Petrel“ nicht ganz ran, aber Songs wie „God is dead“ oder „Never say Goodbye“ bekommt man auch nicht so ohne Weiteres wieder heraus aus dem Gehörgang. Lohnen tut sich der Besuch im Hafenklang in jedem Fall: live on stage sind die Hymnen von gestern immer mit von der Partie.

Fr, 9. 4., 22 Uhr, Hafenklang, Große Elbstraße 84