OFF-KINO
: Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

Vor dem Fall der Mauer war am Gleimtunnel Schluss: Am einen Ende Gesundbrunnen im Westen, am anderen Ende Prenzlauer Berg im Osten. Heute gibt es zwar keine Grenze mehr, dafür jedoch eine klare Trennlinie, die mit Herkunft, Bildung und Ausbildung zu tun hat: Im zum Wedding gehörigen Westen leben hauptsächlich Migranten, im Osten eine mehrheitlich gut ausgebildete deutsche Bevölkerung, die zu einem großen Teil in Kreativberufen tätig ist. Berührungspunkte zwischen den Menschen gibt es kaum. Der Dokumentarfilmer Torsten Löhn hat sich deshalb mit Schulkindern dies- und jenseits des Gleimtunnels an ein spannendes Projekt gewagt: In gemischten Gruppen sollten die Kinder kleine Filmporträts von ihnen vertrauten Personen erstellen, die nach Möglichkeit einen Bezug zum Thema Integration haben. Diese acht Kurzporträts (u. a. über einen Sandmännchen-Trickfilmer und über einen Dönerfabrikanten) hat Löhn in „Am Gleimtunnel – Hier und drüben“ versammelt und durch Aufnahmen miteinander verbunden, die er seinerseits von den Kindern gemacht hat: wie sie sich kennenlernen, sich mit Filmtechnik vertraut machen (und schnell zu der Erkenntnis kommen: „Wild herumzoomen geht gar nicht“), aber auch Vorurteile aussprechen und in der gemeinsamen Arbeit dann manchmal überwinden. Oft sind gerade diese kleinen Vignetten, die aufzeigen, was die verschiedenen Kinder besonders beschäftigt, noch spannender als die Kurzfilme, die mit dem Porträt einer tatkräftigen türkischstämmigen Polizistin jedoch ebenfalls ein echtes Highlight aufweisen können. Und dann gibt es da noch den schönen Film von Moritz über seine beim Gripstheater beschäftigte Mutter Sabine – was ich jetzt auch einfach mal so sagen möchte, weil ich nicht riskieren will, dass die beiden demnächst nicht mehr mit mir reden. (8./10.–11. 4. Lichtblick-Kino)

Im April 1914 unternahm Paul Klee gemeinsam mit seinen Malerfreunden August Macke und Louis Moilliet eine Reise in das damals noch französisch-koloniale Tunesien, die ihn in seinem weiteren künstlerischen Schaffen stark beeinflusste. Die Farben, das Licht, die Formen des Maghreb ließen ihn nicht wieder los. Der Schweizer Filmemacher Bruno Moll vollzieht in „Die Tunisreise“ (2007) anhand von Klees Tagebucheintragungen diese knapp dreiwöchige Exkursion noch einmal nach: Neben den Impressionen des heutigen Tunesien sieht man Klees Bilder und erfährt dabei von der Wahrnehmung des Malers: „Was wir sehen, ist eine Möglichkeit.“ Der Film beschränkt sich jedoch nicht allein auf einen (kunst-)historischen Ansatz, vielmehr besitzt er mit dem tunesischen Filmemacher und Maler Nacer Khemir einen zweiten durchaus gleichwertigen Protagonisten, der nicht nur interessant über die Abstraktion, Geometrie und die Dominanz der „Leere“ in der arabisch-muslimischen Kunst zu berichten weiß, sondern auch – ganz aktuell – über das Trennende und Verbindende der Kulturen von Nord und Süd nachdenkt. (OmU, 8.–14. 4. Brotfabrik, Central) LARS PENNING