LESERINNENBRIEFE
:

Unterschiedliche Förderpraxis

■ betr.: „Die Elite bleibt lieber weiter unter sich“, taz vom 28. 8. 13

Gewiss, an dem Vorwurf, die Akademiker blieben unter sich, ist ein Stück weit etwas dran. Aber eben nur ein Stück weit. Die angegebenen Durchschnittswerte versperren den Blick auf die unterschiedliche Förderpraxis der einzelnen Begabtenförderwerke. Die von den Gewerkschaften gegründete Hans-Böckler-Stiftung hat immer schon eigene Wege beschritten. Die soziale Herkunft ihrer Stipendiatinnen und Stipendiaten weicht daher stark vom Mittelwert aller Begabtenförderwerke ab. Zum Beispiel kommen 62 Prozent aus Nicht-Akademikerfamilien, und 23 Prozent haben einen Migrationshintergrund. StipendiatInnen aus Akademikerfamilien sind unterrepräsentiert auch in Bezug auf die Gesamtheit aller Studierenden im Erststudium. Keineswegs werden diejenigen gefördert, die ohnehin privilegiert dastehen, sondern diejenigen, die eine Förderung brauchen und verdienen. Das kann allerdings auch mal ein Kind aus einem Akademikerhaushalt sein. DIETRICH EINERT, Düsseldorf

Übel gelaunte Rezensenten

■ betr.: „Eingerichtet in der Einöde“, taz vom 31. 8. 13

Uwe Timms Roman „Vogelweide“ verweigert sich einem Rezensionsbetrieb, der in einem fragwürdigen Verfahren „Sterne“ vergibt und sich kommerziellen Maßstäben unterwirft. Anders lässt sich die Übellaunigkeit mancher Rezensionen kaum erklären. Die genaue Beobachtungsgabe, das große Reflexionsvermögen und die sprachliche Präzision dieses Romans mögen sich nur jenen erschließen, die sich Zeit und Muße für eine genaue Lektüre nehmen. Unvergleichbar sind manche Betrachtungen des Protagonisten – seine Erlebnisse und Überlegungen etwa beim Bahnfahren in der ersten oder der zweiten Klasse: „Hatte er je in der ersten Klasse jemanden einen philosophischen Text lesen sehen?“ (S. 137)

ESTHER GRUNDMANN, Tübingen

Präventionsbegriff geraderücken

■ betr.: „Ohne Prävention geht es nicht“, taz vom 29. 8. 13

Christian Rath hat recht: „Wer Terrorangriffe (…) verhindern will, muss im Vorfeld ansetzen.“ Nur: Befreit von autoritären Euphemismen heißt das: Menschen verfolgen, die sich im Sinne des Gesetzes nichts haben zuschulden kommen lassen. So formuliert klingt das gleich nach einer viel schlechteren Idee, oder?

Nein, die Antwort auf die Frage staatlicher Befugnisse gegen Unschuldige muss sein, den völlig aus dem Ruder gelaufenen Präventionsbegriff wieder geradezurücken. „Prävention“ war ja mal was anderes als arbiträre Überwachung, V-Leute, Vorbeugegewahrsam, Kfz-Scanning, Aussagepflicht, Videoüberwachung, GPS-Wanzen oder Gefährderdatenbanken – um nur wenige der in der Tat zahlreichen neuen Eingriffsbefugnisse aufzuzählen, die Herr Rath in den Novellen zu den Polizeigesetzen der Länder finden wird. Richtig verstandene „Prävention“ hingegen ist eine gerechtere Gesellschaft und meinetwegen auch eine weniger aggressive Außenpolitik.

Und nebenbei: An all dem würde sich auch dann nichts ändern, wenn Terrorismus eine im Vergleich zu Tausenden anderer Lebensrisiken relevante Gefahr wäre. Derzeit allerdings ist es weit wahrscheinlicher, tödlich von einer Trittleiter als einem Terroristen zum Opfer zu fallen. MARKUS DEMLEITNER, Heidelberg

Frieden schaffen ohne Waffen

■ betr.: „Einmischen, jetzt!“, taz vom 30. 8. 13

Der Konflikt ist bereits eskaliert, und die Menschen in den umliegenden Ländern haben Angst. Aber die Frage ist, ob ein militärisches Eingreifen einzelner Staaten das richtige Zeichen ist. Nach Obamas derzeitigem Plan, einem zeitlich begrenzten Bombardieren militärischer Stellungen, wird doch nur ein Signal gesendet: „Giftgas gegen die Bevölkerung, das geht nicht. Sämtliche andere Aktivitäten des Regimes und der Rebellen in den letzten zwei Jahren gehen uns nichts an.“ Um das Gesicht zu wahren, ist es schon zu spät.

Wäre es nicht ein gutes Zeichen, klar zu sagen: „Nein, wir schicken keine Waffen“ und auch die Länder und Gruppen, die bereits Waffen liefern, mit Nachdruck aufzufordern, dies einzustellen? Frieden wird nicht mit Waffen erreicht. CLEMENS SCHWANHOLD, Wolfenbüttel

Love and Peace

■ betr.: „Keiner kauft gern benutzte Ware“, taz vom 31. 8. 13

Gut, dass ich in diesen Zeiten nicht jung bin. Als ich es war, gab es auch Sex am Rande von Musikfestivals. Was es nicht gab, waren „Blowjobs“ und das Internet. Eigentlich auch keine Schlampen. Bei Musikfestivals ließen die jungen Leute gern das Woodstockfeeling von Love und Peace wiederaufleben. Einige liefen nackt herum, wenn es warm genug war. Sex hatten meist zwei Personen miteinander. Einen „Job“ machte dabei keiner. Die Ausdrücke „Blowjob“ und „einen blasen“ sind heute übliches sexuelles Vokabular. Die Durchführung läuft, manchmal nur angedeutet, im abendlichen Fernsehfilm und im Kino. Jungen Mädchen wird so suggeriert, dass sie, wenn sie cool und erfahren sein wollen, eine sexuelle Dienstleistung am männlichen Gegenüber zu verrichten haben, bei der es auf eigenes Lustempfinden nicht ankommt. Alles, was sie davon haben, sind schmutzige Knie und den Ruf einer „Schlampe“, wenn sie dabei gesehen werden. Das ist übrig geblieben von der sexuellen Befreiung der Frau. Sexarbeiterinnen bekommen wenigstens noch Geld für ihren Job. BEATE SCHMIDT, Borchen