Schon Shakespeare konnte Trash

SCREWBALL BAROCK Das Paar Benedick-Beatrice ist die Mustervorlage für alle Liebeskonstellationen, die über negative Fixierung entstehen. „Viel Lärm um nichts“ hatte am Wochenende an der Schaubühne Premiere

Hero ist vielleicht etwas zu attraktiv für den blassen Indierock-Boy Claudio

VON RENÉ HAMANN

Am Ende kann man es nur so inszenieren. Als irgendwie typischen Berliner Trash-Klamauk mit viel Musik. Mit Schauspielern, die singen, einer Videowand und einer Ästhetik, die Sizilien mit Hawaii und Kalifornien, also mit B-Movie-Ästhetik gleichsetzt: Palmen, Strand, Totenköpfe, Gräber, und alles schön dunkel. So war das am Samstagabend bei der Premiere in der Schaubühne am Ku’damm.

„Viel Lärm um Nichts“ oder wie der Reclam Verlag rechthaberisch weiß: „Viel Lärmen um Nichts“, ist eine dieser Shakespeare-Komödien, die mit der Zeit an Wert verloren haben, obwohl man natürlich den Hut vor der Pionierarbeit ziehen muss. Keine Screwball-Komödie, keine Seifenoper kommt ohne den hier angelegten Konfliktstoff aus. Die Achse Benedick-Beatrice, die hier die wesentliche ist, ist eine Mustervorlage für alle Liebeskonstellationen, die über negative Fixierung entstehen. Benedick (leicht atypisch besetzt, aber insgesamt überzeugend: Sebastian Schwarz) und Beatrice (Eva Meckbach) können sich anfangs gar nicht leiden und verlieben sich, ganz nach dem Motto „Was sich liebt, das neckt sich“, eben doch. Die andere Paarkonstellation findet zwischen dem sensiblen Edelmann Claudio (Moritz Gottwald) und der schönen, zierlichen Hero (Jenny König) statt. Auch hier muss für das Glück erst ein Konflikt gelöst werden. So werden die beiden zunächst Opfer einer Intrige: Jemand will gesehen haben, wie Hero in der Nacht vor der Hochzeit männlichen Besuch empfangen hat.

Es ist ein Stück, das stark auf Wortwitz setzt, eine zweite Ebene aber vermissen lässt. An dieses shakespearehaft Verdrechselte, das in den Königsdramen so gut funktioniert, muss man sich hier erst einmal gewöhnen. Zwar haben der Regisseur Marius von Mayenburg und sein Team den Originaltext hier und da aktualisiert und insgesamt ausgedünnt. Im Vergleich zu Hollywood oder der nachmittäglichen Sitcom auf Pro7 verschleppt die Sprache aber reichlich das Tempo. Und wird von den Schauspielern eben aus dem Grund oftmals schnell weggequasselt. Der schräge Vergleich, die gewollte Metapher, die lustige poetische Verdrehung: Das ist etwas viel für dieses eher flache Stück.

Denn es mag sein, dass schon Shakespeare die hier aufgeführten Liebesspiele nicht wirklich ernst genommen hat. Zu spontan, zu locker, zu überdreht wirkt das alles. Zugleich werden Liebeskonstellationen hier durchweg als Hochzeitsoptionen durchdekliniert. Teil des Konflikts ist die Frage nach einer jungfräulichen Hochzeit. Es geht um Mitgift, und es geht um Macht.

Mayenburgs Inszenierung versucht, dem mit totaler Überzeichnung und ständig wechselnder Kostümierung beizukommen. Das führt zu mancher Verwechslung. Leonato könnte man für eine Transe halten, aber es ist derselbe Schauspieler (gut: Kay B. Schulze) in der Rolle einer Frau, nämlich Margaret. Dann tauchen Tierkostüme auf: Tiger, Frosch, Gorilla; und Beatrice wechselt die Perücke, wie sie gerade lustig ist.

Also wird munter das Prinzip Übersteuerung bedient. Das geht meist gut, und tut nur hier und da in den Ohren weh: So leidet gerade der verbale Schlagabtausch zwischen Benedick und Beatrice daran, dass man Letztere irgendwie als Ruhrpottschnalle (meine private Assoziation) mit losem Mundwerk nicht wirklich ernst nehmen kann. Hero indes ist vielleicht etwas zu attraktiv für den blassen Indierock-Boy Claudio, den Moritz Gottwald hier darstellt. Auch die Tatsache, dass Don Pedro und sein böser Bruder Don John von ein und demselben dargestellt wird (aber das gut: Robert Beyer), ist ein Manko, mag aber schon im Original so angelegt sein.

Die Lieder, die das Stück auflockern und als Überleitungen wie als Kommentare funktionieren, sind gut typbezogen und insgesamt heterogen ausgewählt. Es gibt ein Stück der Bright Eyes, es gibt „I Was Made for Loving You“ und „Teach Me Tiger“. Schön mit trashigem Playback versehen. Nicht immer überzeugend gesungen, und insgesamt sind es vielleicht zwei, drei Liedchen zu viel. Aber das ging, machte Spaß, begeisterte. Überhaupt ließ sich das Publikum gern mitreißen. Irgendwann zog auch das Stück an – von dramaturgischem Aufbau verstand Shakespeare schließlich etwas.

Trotzdem blickt man Ende doch etwas ratlos auf die pinkfarbene Muschel über der Bühne. Was will uns das Ganze sagen? Dass schon Shakespeare Trash konnte? Dass die Lustspiele des großen Dramatikers eben das sind: verbal aufgemotzte Screwballkomödien? Pollesch ohne Theorie? Etwas für den regierenden Bürgermeister, der sich im Anschluss mit der amerikanischen Kabarettistin darüber unterhalten kann? Wie hieß das Stück noch gleich?