ZWISCHEN DEN RILLEN
Trikont porträtiert die Angestellten des Körperkults

„Don’t call me – I’ll call you!“ So viel Schneid muss man erst mal haben. Ob das Zitat tatsächlich von Pearl Bailey stammt, die die Zeile mit rauchigem Timbre in ihrem 1959er-Salonhit „You can be replaced“ herausfrotzelte, wäre interessant. Selbst geschrieben hat die 1918 in Virginia geborene Pfarrerstochter den Song jedenfalls nicht.

Bailey eröffnet den Reigen einer beim rührigen Bewahrer-Label Trikont erschienenen Kompilation mit dem Titel „Head over High Heels. Strong & Female 1927–1959“. Im Booklet finden sich kurze Abhandlungen zu jeder der hier vertretenen 24 Künstlerinnen. Neben Bailey sind unter anderen Billie Holiday, Marlene Dietrich, Eartha Kitt, Jean Harlow und Mae West dabei, die üblichen Verdächtigen eben. Doch mit tatsächlich biografischen, musikalischen oder anderen Hintergrundinformationen halten sich die Aperçus leider bedeckt.

Ein bisschen wohlwollendes Geraune über Marilyn Monroe, die das aus Billy Wilders Crossdresser-Komödie „Some like it hot“ stammende Liebeslied „You’d be surprised“ schmelzt. Viel zu wenig über das außergewöhnliche Leben der Komödiantin Sophie Tucker, die in „What’ll you do?“ ihrem designierten Exfreund nonchalant „Don’t come back because you’re place will be taken, and when you’re forsaken, then what’ll you do?“ hinwirft. Das Booklet übergeht großzügig, dass Rita Hayworth’ bekanntester Song, „Put the blame on mame“, nicht von ihr selbst gesungen wurde.

Neues Selbstbewusstsein

Auch ein Überblick über das tolle Thema dieses Samplers, der das neue Selbstbewusstsein der US-amerikanischen Sängerinnen chronologisch mit der Blütezeit der Screwballkomödien in den 1930er-Jahren verortet, fehlt. „Mittendrin in diesen schönen neuen Screwball-Comedies: moderne, hinreißende Frauen, die sich mit ihren männlichen Partnern filmische Verbalschlachten lieferten, um damit meist nur eines auszudrücken: dass sie sich in Wahrheit aus tiefstem Herzen liebten.“

Die Liner Notes streifen immerhin den „Hays Code“, nach dem die US-Filmindustrie damals allzu gewagte und frivole Dialoge, Situationen oder Szenen verschlüsseln musste, um durch die Zensur zu kommen, sodass sich die Drehbuchautoren in knackigem verbalem Andeutungssex schier überboten. Doch der gesellschaftliche Hintergrund in den USA, die verfolgungsbedingte Emigration der europäischen Filmelite mitsamt ihrem jüdischen schwarzen Humor führten dazu, dass die neuen weiblichen Hollywoodstars zwar nach außen hin strahlten, am Ende des Tages aber doch nur ausführende Angestellte waren, die an Studiozwängen und dem damals bereits erdrückenden Körperkult zerbrachen.

Diese Informationen bleibt die dennoch wunderbar zu hörende Compilation leider schuldig. Statt wie versprochen starke Frauen zu zeigen, porträtiert sie einmal mehr starke Fassaden: von männlichen Studiobossen, Komponisten und Textern erdachte und auf Leinwand und Album projizierte Fantasien, ausgenommen die selbstbestimmte und unangepasste Mae West.

Wahrscheinlich aufgrund von Rechteschwierigkeiten wartet der Sampler stattdessen mit einer Handvoll toller Songs von blendenden Frauen auf, deren Ambitionen und Schicksale höchstens im Nebensatz erwähnt werden. Über Billie Holiday, die als notorisch klamme, rassistisch diskriminierte und schwer drogenabhängige Bluesinterpretin ohnehin nicht unbedingt die gut gelaunte Seite der „Female Songs“ repräsentierte, fällt der lapidare Kommentar, sie würde „selbstbewusst zu den eigenen Schwächen stehen“. Das klingt fast höhnisch.

Van Doren in Hotpants

Innovativer wäre es gewesen, eine Sammlung von Songs dieser Zeit zu präsentieren, die tatsächlich aus weiblicher Feder stammen. Nina Simone oder Blossom Diary hätte man genauso gern gehört. Verkaufsfördernder wäre auch eine Coverart, die sich nicht der grausigen 80er-Jahre-Ästhetik verpflichtet fühlt: „Head over High Heels“ bildet einen hochhackigen Schattenriss-Pumps unter feuerfarbenen Scheinwerferlicht ab. So fällt das Album-Cover gegen das fantastische Booklet-Cover – Mamie van Doren in Hotpants, die sich in Vinylplatten räkelt – ganz schön ab.

JENNI ZYLKA

■ Verschiedene Künstler, „Head Over High Heels. Strong & Female 1927–1959“, (Trikont/Indigo)