STEPHAN KOSCH ÜBER BEDINGUNGEN, UNTER DENEN BILLIGTEXTILIEN ENTSTEHEN
: Kinderjeans von Kinderhand

Die Einfuhr von Produkten könnte an Mindeststandards bei der Herstellung gebunden werden

Es war ja zu befürchten: Die praktischen Kinderjeans für 5,99 Euro bei Lidl kommen wohl aus asiatischen Fabriketagen, wo in der Regel Frauen für viel zu wenig Geld und unter menschenunwürdigen Bedingungen schuften. Nicht, dass wir noch nie etwas von diesen Sweat-Shops gehört hätten. Doch auch ein aufgeklärter Verbraucher lässt sich gerne von dem Versprechen beruhigen, dass Lidl auf sozialverträgliche Arbeitsbedingungen in den Herstellerländern achtet.

Dass das offenbar nicht so ist und Lidl nun wegen unlauterer Werbung verklagt wurde, stört zwar den Verbraucherfrieden, macht die Arbeit der verschiedenen Organisationen in der Kampagne für saubere Kleidung umso bedeutsamer. Der Kunde, der es wissen will, muss sich auf solche Versprechen verlassen können. Denn schließlich fehlen ihm die Möglichkeiten, die konkreten Bedingungen, unter denen der gerade erworbene Pullover in den Niedriglohnländern genäht wurde, selbst zu begutachten. Allein also auf den Verbraucher und seinen politisch, sozial und ökologisch möglichst korrekten Konsum zu setzen, wäre aber nicht aus diesem Grund fahrlässig. Denn Konsum funktioniert allein nach dem Prinzip, die eigenen Bedürfnisse mit den bestmöglichen Produkten zum bestmöglichen Preis zu befriedigen. Und nur für eine kleine Minderheit der Kunden – so die ernüchternden Ergebnisse der Konsumforschung – spielt das Leben der Näherinnen in Bangladesch beim Shoppen eine Rolle.

Bei allem Wissen um theoretische oder tatsächliche Verbrauchermacht gilt also: Die Politik darf in diesem Punkt nicht aus der Verantwortung entlassen werden. So wie Lohndumping bei Discountern in Deutschland am einfachsten durch gesetzliche Mindestlöhne bekämpft wird, könnte die EU die Einfuhr von Produkten auch von Mindeststandards bei ihrer Herstellung abhängig machen. Dass dies die Wahlmöglichkeiten des Verbrauchers einschränkt, wird er hinnehmen – wenn er es bemerkt.

Wirtschaft + Umwelt SEITE 9