NRW will nur spielen

Kommunen dulden private Wettbüros – obwohl sie bis Ende 2007 verboten sind. Nach dem Karlsruher Urteil muss sich NRW stärker um Suchtprävention kümmern, um Wettmonopol zu halten

VON HOLGER PAULER

Die Kommunen an Rhein und Ruhr werden private Wettanbieter vorerst weiter dulden. Obwohl das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe gestern urteilte, dass private Wetten als „verboten angesehen und ordnungsrechtlich unterbunden werden“ dürften, wollen sie nicht handeln. „Wir werden das Urteil erst genau studieren und dann weiter sehen“, sagte die Sprecherin der Stadt Bochum, Barbara Gotschlich.

Die Karlsruher Richter betonten, dass das bestehende staatliche Wettmonopol für Sportwetten zwar „mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit“ unvereinbar sei, vorerst bleibe es aber in Kraft. Bis Ende 2007 haben die Bundesländer Zeit, eine gesetzliche Regelung zu finden.

In Bochum gibt es derzeit 30 private Wettanbieter. Die Nachbarstadt Essen zählt 60. Landesweit wurden in den vergangenen Monaten mehrere hundert Wettbüros eröffnet. Wegen der ungeklärten Rechtslage könnten Schadensersatzansprüche in Millionenhöhe entstehen.

„Die Städte haben Angst vor Regress-Ansprüchen, deswegen schauen sie weiter zu“, sagt der parlamentarische Geschäftsführer der NRW-Grünen, Johannes Remmel. Davor hat auch die Stadt Düsseldorf Angst. Das Ordnungsamt verfügte zwar kürzlich eine Schließung sämtlicher Wettbüros, sie wurde aber nicht vollzogen. Die Anbieter hatten eine Klage beim Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster eingelegt. Das OVG wollte eine Entscheidung auch vom Urteil des Verfassungsgerichts abhängig machen.

„Karlsruhe hat den Ball an den Gesetzgeber zurückgespielt“, sagt der Essener Buchmacher und Vorsitzende des Deutschen Buchmacherverbandes Norman Albers zur taz. Eine komplette Untersagung privater Wettangebote sei seiner Meinung nach nur möglich, wenn das öffentliche Angebot reduziert werde. Er verweist auf das EU-Recht, nach dem allen Bürgern in der Europäischen Union Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit garantiert wird. „Das staatliche Oddset-Angebot in jeder Lottoannahmestelle kann es nicht mehr geben, wenn das Land die Suchtprävention ernst nimmt.“

Hierauf ruht die Hoffnung der privaten Wettanbieter. Das Bundesverfassungsgericht stellt Forderungen: Entweder die Bundesländer widmen sich stärker der Suchtprävention oder sie schaffen eine ausgewogenere Balance zwischen privaten und staatlichen Wettangeboten. „Wir werden eine Lösung anstreben, die eine angemessene Ausstattung der sozialen, kulturellen und sportlichen Stiftungen sicherstellt“, sagt NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU).

Aus der staatlichen Sportwette Oddset fließen im laufenden Jahr 17 Millionen Euro an Konzessionsausgaben in den Landeshaushalt. Davon werden 624.000 Euro zur Suchtprävention ausgeben. Der Rest fließt in sportliche und kulturelle Einrichtungen und gemeinnützige Stiftungen.

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