Bundestagspräsident hat Ärger mit der Kohle

Der CDU-Politiker Norbert Lammert soll sein RAG-Aufsichtsratsmandat niederlegen, fordern die Grünen. Denn der Filz zwischen Energiewirtschaft und Politik verhindere den Wettbewerb und sorge so für steigende Energiepreise

DÜSSELDORF taz ■ In der Debatte um Zahlungen großer Energiekonzerne an Politiker wächst die Kritik an Bundestagspräsident Norbert Lammert: Der Christdemokrat und Vorsitzender der Ruhr-CDU müsse sein Aufsichtsratsmandat beim Essener Steinkohleförderer RAG niederlegen, fordern die nordrhein-westfälischen Grünen. „Ein Unternehmen, das zu zwei Dritteln von Subventionen lebt, sollte auf keinen Fall Politiker beschäftigen dürfen“, so Reiner Priggen, energiepolitischer Sprecher der grünen Landtagsfraktion, zur taz. „In Berlin stehen in Kürze Richtungsentscheidungen zur Zukunft der Steinkohle an“, sagt Priggen. „Ein Politiker in einer derart herausgehobenen Position sollte schon deshalb jede Diskussion über eine mögliche Befangenheit vermeiden.“

Lammert, der auch Vorsitzender der Ruhrgebiets-CDU ist, sieht dagegen keinerlei Interessenkonflikt – schließlich führe er die 25.000 Euro, die er jährlich von der RAG erhalte, an die gemeinnützige „Norbert-Lammert-Stiftung“ ab, deren Verwaltung er der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung übertragen habe. Wen oder was die „Norbert-Lammert-Stiftung“ aber genau fördert, konnte auch die Konrad-Adenauer-Stiftung auf Nachfrage nicht beantworten.

Der Verband der Energieverbraucher kritisiert den herrschenden Filz zwischen Energie–unternehmen und Politik dagegen scharf. „Diese personellen Verflechtungen sind sittlich-moralisch anstößig“, meint Verbandschef Aribert Peters – schließlich sei Lammert kein Einzelfall. Vielmehr nutze RAG-Chef Werner Müller, im ersten Kabinett Schröder Bundeswirtschaftsminister, seine guten Drähte zur Politik: So berät Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) die RAG ebenso wie der CDU-Wirtschaftsexperte Friedrich Merz und Manfred Overhaus, unter Schröder Staatssekretär im Finanzministerium.

„Unanständig“ sei auch die Berufung des ehemaligen SPD-Bundeswirtschaftsministers und NRW-Ministerpräsidenten Wolfgang Clement in den Aufsichtsrat des Energieversorgers RWE Power, findet der grüne Energieexperte Priggen: „Der Mann war als Bundeswirtschaftsminister für die Aufsicht über die Energiewirtschaft zuständig und wechselt jetzt einfach die Seiten.“ Das Beispiel Clement erkläre, warum die Liberalisierung der Strom- und Gasmärkte nicht vorankomme: „Die großen Energieversorger kaufen sich ständig politische Entscheidungsträger, die sich ihren beruflichen Lebensabend vergolden lassen.“ Der mangelnde Wettbewerb wiederum sei mitverantwortlich für die immer weiter steigenden Energiepreise, sagt Priggen: „Auch Jahre nach der so genannten Liberalisierung des Energiesektors beherrschen vier Oligopole den Strommarkt.“

Erneut fordert Priggen deshalb eine klare Trennung zwischen Politik und Konzernen. Doch selbst Parteifreunde zeigen sich davon wenig beeindruckt: Auch der Grüne Rezzo Schlauch, Ex-Staatssekretär in Clements Wirtschaftsministerium, sitzt seit Ende vergangenen Jahres im Beirat des Atomstromlieferanten EnBW. ANDREAS WYPUTTA

kommentar, nrw-SEITE 2