Drohender Rechtsrutsch mit Abbott

AUSTRALIEN Die von Kevin Rudd geführte Laborpartei droht bei den Parlamentswahlen am Samstag ihre Macht an die Konservativen zu verlieren. Deren Führer, Tony Abbott, will die Rohstoff- und Klimasteuer wieder abschaffen

Ein Dutzend von Labor gehaltene Sitze könnten an die liberal-nationale Koalition fallen

AUS CANBERRA URS WÄLTERLIN

Es war fünf Uhr früh und kalt. Doch Australiens Oppositionsführer Tony Abbott wurde bei seinem Besuch am Mittwoch im Großmarkt von Sydney gefeiert wie ein Rockstar. Ein Gemüsehändler küsste den Mann auf die Stirn, der nächste Woche wohl Premierminister sein wird. Der Kontrast zum vorherigen Besuch von Amtsinhaber Kevin Rudd könnte kaum größer sein. Rudd war im Markt angeschrien worden, „uns endlich in Ruhe zu lassen“. Laut Umfragen droht der Laborpartei am Samstag eine Wahlschlappe. Über ein Dutzend von Labor gehaltene Parlamentssitze könnten an Kandidaten der liberal-nationalen Koalition unter Tony Abbott fallen.

Der prophezeite Absturz ist Resultat parteiinterner Probleme, die im zweimaligen Wechsel des Regierungschefs gipfelten, sowie der starken Einmischung des Medienmoguls Rupert Murdoch in den Wahlkampf. Sein Konzern kontrolliert 70 Prozent der Printmedien in Australien. Seit er sich für Abbott aussprach, porträtierten Murdochs Blätter Rudd unter anderem in einer Naziuniform, während sich Abbott über Schlagzeilen wie „Australien braucht Tony“ freuen konnte.

Abbott stellte kaum eigene Pläne vor. Er versprach, die von Labor eingeführten Steuern auf Gewinne aus Rohstoffabbau und für klimaschädliche Gase abzuschaffen. Per Boot kommende Asylsuchende sollen aufs Meer geschickt werden. Einst galt der 55-Jährige in eigenen Parteikreisen als „unwählbar“, wie einer seiner Vorgänger meinte. Der katholische Expriesternoviz, der mal Profiboxer werden wollte, dann als Journalist arbeitete, hat einen Ruf als ultrakonservativer, aggressiver Ideologe. Mehrfach wurde ihm Frauenfeindlichkeit und Homophobie vorgeworfen. 2009 brachten ihn die unter den Konservativen dominierenden Klimaskeptiker gegen den liberaleren damaligen Parteichef Malcolm Turnbull in Stellung. Der hatte sich für Klimaschutz ausgesprochen, Abbott hingegen nannte den Klimawandel „absoluten Mist“.

Abbott gilt als anglophil und zeigte bisher kaum Interesse an der asiatischen Nachbarschaft und an Außenpolitik. Kritiker fürchten, Australien könne seine ohnehin schwachen Ziele zur Reduktion klimaschädigender Emissionen weiter reduzieren. Abbott will den Klimawandel mit dem Pflanzen von Bäumen bekämpfen und großen Firmen Anreize geben, damit sie ihre Emissionen verringern. Unter den Industriestaaten hat Australien pro Kopf den höchsten CO2-Ausstoß.

Rudd erlebte einen spektakulären Absturz. Er hatte Labor 2007 zum Sieg gegen den konservativen John Howard geführt, der elf Jahre lang regiert hatte. Der Chinesisch sprechende Exdiplomat Rudd war auch nicht zuletzt so beliebt, weil er versprach, gegen Klimawandel vorzugehen. Doch Pläne für die Einführung einer Steuer auf die großen Gewinne von Rohstoffunternehmen wurden bald torpediert. Nach einer von Bergbaukonzernen finanzierten Kampagne sank Rudds Popularität. In Panik ersetzte Labor ihn 2010 mit seiner Stellvertreterin Julia Gillard. Die erste Frau im höchsten Regierungsamt einigte sich mit den Minenkonzernen auf eine reduzierte Version der Steuer. Doch 2010 musste sie eine Koalition mit den Grünen und Unabhängigen eingehen und war mit einer konstanten, und nicht selten sexistisch gefärbten Negativkampagne Abbotts konfrontiert. Gillards Ansehen stürzte in Umfragen ab. Im Juni forderte Rudd die Frau heraus, die ihn drei Jahre vorher abgelöst hatte. Doch seine Kampagne leidet an Fehlern, Peinlichkeiten und amateurhafter Kommunikationsstrategie.

Es treten auch etliche kleine Parteien an, darunter Wikileaks von dem in Ecuadors Londoner Botschaft geflüchteten Enthüllungsjournalisten Julian Assange. Die Partei machte nur mit internem Streit Schlagzeilen und dürfte keinen Einfluss gewinnen. Die Grünen rufen dazu auf, sie in den Senat zu wählen, damit die Konservativen nicht beide Kammern kontrollieren. Murdochs Medien sind gegen die Grünen mindestens so hart wie gegen Labor und nennen sie „extrem“.