Kanzler-Autobahn im Plan

Gestern vorgestellte Trassenführung der A 39 zerschneidet Wohn- und Naturschutzgebiete. Lüneburgs Oberbürgermeister und Initiativen kündigen Proteste gegen die Piste nach Wolfsburg an

von KAI SCHÖNEBERG

„Gewehr bei Fuß“ stehe der Rechtsanwalt, wenn die Trasse mitten durch die Stadt führe, hatte Ulrich Mädge gesagt. Nun kann Lüneburgs Oberbürgermeister seinen Juristen ins Feld schicken: Die gestern präsentierte „Vorzugsvariante“ der Autobahn A 39 von Wolfsburg nach Lüneburg soll genau durch den Osten der Stadt führen. Hier rauschen auf der noch als Ortsumgehung genutzten Strecke täglich bereits etwa 40.000 Fahrzeuge direkt an Wohnhäusern vorbei. „Völlig inakzeptabel“ findet Mädge auch, dass die Autobahn direkt am Kloster Lüne entlangführen soll – einem „wichtigen Faktor bei der Bewerbung der Stadt um den Status als Weltkulturerbe“.

Lüneburg ist mit seinem Grimmen gegen die etwa 100 Kilometer lange Betonpiste östlich der Bundesstraße 4 durch Wendland, Natur- und Vogelschutzgebiete nicht allein: 20 Trecker und etwa 250 trommelnde Protestler gaben den Planern des niedersächsischen Straßenbauamts gestern vor der Stadthalle in Uelzen schon mal eine leise Ahnung von dem Wind, der der Trasse entgegenwehen könnte.

„Wer sich jetzt nicht wehrt, hat die A 39 bald vor der Haustür“, sagt Eckehard Niemann, Sprecher des Dachverbandes von mehr als 30 Bürgerinitiativen. 30.000 Unterschriften gegen das je nach Schätzung zwischen 600 Millionen und bis zu einer Milliarde Euro teure Projekt hat er zusammen. Bei dem nun startenden Raumordnungsverfahren rechnet Niemann zudem mit tausenden Einwendungen. 60.000 Euro hat er bereits für Klagen in der Kriegskasse. Viele von der Streckenführung betroffene Gemeinden dürften sich anschließen.

Bereits in den 30er Jahren hatten die Nazis von einer Autobahn geträumt, die die VW-Stadt Wolfsburg mit der Ostsee verbinden sollte. Dann versprach erst wieder Gerhard Schröder als niedersächsischer Ministerpräsident, die Piste werde gebaut. Dummerweise kam bereits in den 90er Jahren eine Studie zu dem Schluss, dass die später „Kanzler-Autobahn“ genannte Strecke überflüssig ist, wenn östlich die A 14 von Magdeburg über Wittenberge Richtung Schwerin verläuft. Sie soll eines Tages durch eine Bundesstraße von Uelzen aus mit der A 39 verbunden werden.

Nach Berechnungen der Initiativen hat die A 39 einen nicht einmal halb so großen Nutzen-Kosten-Faktor wie die A 14. Dennoch wird das Gesamtprojekt Bundesfernstraßenplan als „vordringlich“ ausgewiesen. Mit dem ersten Spatenstich ist aber auch ohne langwierige Prozesse nicht vor 2010 zu rechnen.

„Der schlimmste Einwand ist, dass die gar nicht die Null-Variante geprüft haben“, sagt Niemann und meint damit den Ausbau der bereits bestehenden Bundesstraße B4 von Braunschweig nach Lüneburg. „Die Planer haben jetzt ihre bevorzugte Variante vorgestellt“, sagt Andreas Beuge aus dem Wirtschaftsministerium in Hannover. „Nun geht es darum, die endgültige Trasse unter Berücksichtigung aller Beteiligten festzulegen.“