Komische Leidensgeschichten

SZENISCHE LESUNG Thomas Bernhard gehört zu seiner Lebensmelodie dazu: Der Schauspieler Burghart Klaußner über den österreichischen Schriftsteller und die Bilanz seiner Literaturpreise, die er am Montag gemeinsam mit Nina Petri auf die Bühne bringt

■ Der in Berlin geborene Schauspieler hat Erfahrung mit Bernhard und Preisen: Klaußner ist für seine Rolle in Michael Hanekes „Das weiße Band“ für den Deutschen Filmpreis nominiert und hat vor zwei Jahren Thomas Bernhards Stück „Der Ignorant und der Wahnsinnige“ am Schauspielhaus Bochum inszeniert.

INTERVIEW ROBERT MATTHIES

Grundlage für die szenische Lesung am Montag ist Thomas Bernhards „Meine Preise“, in dem der Schriftsteller kopfschüttelnd und schimpfend Bilanz der Literaturpreise zieht, die er erhalten hat: der Autor als Preisgeldempfänger. Ist Bernhard hier Komödiant, der über Tragödien schreibt, Herr Klaußner?

Burghart Klaußner: Thomas Bernhard ist ein Janusgesicht, was Komödie und Tragödie betrifft. Das liegt bei ihm sehr nah beieinander. Das Tolle ist, dass er da, wo das Leben ausweglos zu sein scheint, immer wieder einen Weg findet, diese Tretmühle, dieses Sisyphosdasein auf eine Weise zu beleuchten, dass es fast komisch wird, dass es zur Farce wird – und damit erträglich.

Die Preisverleihungen scheinen für Bernhard vor allem unerträglich zu sein, Skandale und Auslöser von Skandalen.

Wir machen das, um zu zeigen, dass Literatur eben auch etwas kostet. Diese Geschichten, die Preise, die er bekommen hat, sind ja Leidensgeschichten. Die klingen nur komisch, es sind aber Leidensgeschichten eines Menschen, der unter der Dummheit und der Stupidität der Bürokratie richtig Schmerzen leidet.

Als die Anfrage kam, waren sie sofort überzeugt.

Erst mal freut es mich, den legendären Thomas Ebermann kennen zu lernen, wenn es dann auch noch mit der anderen Legende einhergeht, dann ist das spannend. Ich freue mich auch, mit Nina Petri zusammen aufzutreten, wir haben noch nie gemeinsam auf einer Bühne gestanden und ich schätze meine Kollegin sehr. Das kann sehr vergnüglich werden – und auch interessant.

Es ist nicht das erste Mal, dass Sie Thomas Bernhard auf die Bühne bringen.

Ich habe selbst ein Bernhard-Programm gemacht habe, vor einiger Zeit, auch hier in Hamburg. In Bochum habe ich ein Stück von Thomas Bernhard inszeniert, „Der Ignorant und der Wahnsinnige“, eines von den klassischen Bernhard-Stücken. Weil er einfach zu meiner Lebensmelodie dazugehört, der Thomas Bernhard.

Und die Musik zu Thomas Bernhard. Sie haben einen Bernhard-Abend mit Klavierbegleitung gemacht…

Ich habe nicht Thomas Bernhard gesungen, sondern Lieder, die mir dazu passend erschienen. Er hat natürlich keine Lieder geschrieben, aber es gab die Überlegung, dass er an sich viel mit Musik zu tun hat, ein großer Opernfan und -kenner war und Zeit seines Lebens verstrickt in diese Welt. Da habe ich gedacht, da muss auch Musik vorkommen.

Nach der Oskarverleihung, wo „Das weiße Band“ nominiert war, stehen Sie, nachdem alle gegangen sind, als einer der Letzten am Tresen des „Café des Artistes“. Das erinnert an die Verleihung des Kleinen Österreichischen Staatspreises an Bernhard: Alle sind nach dem Skandal aus dem Saal gestürzt, nur zwei Kellner stehen noch starr am unberührten Buffet. Wie fühlen sich Preisverleihungen an, wenn sie vorbei sind?

Durchhalten ist alles, am besten mit einem Gläschen in der Hand

Durchhalten ist alles, am besten mit einem Gläschen in der Hand.

Hamburg kommt bei Bernhard ungewöhnlich gut weg. Überhaupt nicht provinziell.

Im ganzen Werk von Bernhard ist Hamburg nicht einmal erwähnt. Wenn eine Stadt mal erwähnt wird, erscheint sie meist negativ konnotiert. Hamburg hat dem Bernhard wohl irgendwie sowas Weltläufiges gezeigt.

Weil die Verleihung des Julius-Campe-Preises hier so angenehm war: ohne Feierlichkeiten, Reden und Minister?

Ganz genau.

■ Mo, 12. 4., 20 Uhr, Polittbüro, Steindamm 45