… DER BEBELPLATZ?
: Nicht zur Ruhe kommen

Das Dumme an Berlin ist seine Überschaubarkeit: so wenig Platz hier. Finden Sie nicht? Die Senatswirtschaftsverwaltung schon: Wie der Tagesspiegel berichtet, tut sich die Behörde schwer, einen neuen Standort für die „Mercedes-Benz Fashion Week“ aufzutun. So schwer, dass die Mode-Show vom 7. bis zum 9. Juli wohl erneut auf dem Bebelplatz in Mitte stattfinden wird. „Wir haben verschiedene Plätze geprüft“, zitiert das Blatt einen Sprecher von Wirtschaftssenator Harald Wolf, „aber keiner von ihnen konnte die Kriterien erfüllen.“

Der „Initiative Bebelplatz“ wird gar nicht gefallen, dass die Mager-Models schon wieder zwischen Hedwigskathedrale, Staatsoper und Humboldt-Uni herumstaksen werden. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit hatte Ende vergangenen Jahres einen Brief bekommen, der die „Nivellierung eines authentischen Tatortes der Naziverbrechen“ beklagt und fordert, Modenschauen, Eisbahnen oder sonstigen Rummel von dem Platz zu verbannen, wo die Nazis 1933 erstmals Bücher von Juden, Pazifisten oder Sozialisten verbrannten. Zu den Unterzeichnern gehörten die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Lala Süsskind, die CDU-Bundestagsabgeordnete Monika Grütters und Ex-Daimler-Vorstandschef Edzard Reuter.

Anstoß nehmen die Protestierenden vor allem an der Tatsache, dass das unterirdische, durch ein Fenster einsehbare Bücherverbrennungs-Mahnmal des israelischen Künstlers Micha Ullman vom Fashion-Festzelt verdeckt wird. Auch Ullman selbst hält nichts vom Laufsteg über seinem Werk: „Was auf dem Bebelplatz während der Fashion Week passiert, ist ein aggressiver Eingriff in das Denkmal und seine Funktion. Ich empfinde es als Schande“, schrieb er dem Petitionsausschuss des Abgeordnetenhauses. Den hatten die „Initiative Bebelplatz“ und die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) angerufen – und er forderte den Senat einstimmig auf, die kommerzielle Nutzung des Platzes künftig zu unterbinden.

Jetzt lässt Mercedes also voraussichtlich zum fünften Mal die Puppen auf dem Bebelplatz tanzen. Wirtschaftssenator Wolf erklärt, alle zentralen Plätze seien „genehmigungsrechtlich mit Problemen behaftet“. Und auch der Bezirk Mitte konnte dem Veranstalter laut Tagesspiegel IMG noch keine Alternative anbieten. Der Gendarmenmarkt ist schon genug von Events gebeutelt, und am Brandenburger Tor, wo die „Fashion Week“ 2007 stattfand, gab es seinerzeit „logistische Probleme“, so die IMG. Die findet die ganze Aufregung ohnehin übertrieben: Das Ullman-Mahnmal sei ja über einen Korridor auf dem Veranstaltungsgelände weiterhin erreichbar.

Natürlich gäbe es unendlich viele Ausweichorte in dieser gar nicht kleinen Stadt. Aber der Fashion-Klüngel will seine Kreationen vor einer fotogenen Altbau-Kulisse präsentieren. Vorschlag zur Güte: Baut ihm ein potemkinsches Mitte-Dorf am Stadtrand. Irgendwo müsste noch die Schlossattrappe von 1993 eingemottet sein. CLP Foto: reuters