BETTINA GAUS POLITIK VON OBEN
: Wo der Kapitalismus allein regiert

Der Hamburger mit Pommes kostet 20 Dollar, die Kripozentrale fiel einfach in sich zusammen und einsame Männer schauen TV-Fußball ohne Ton. Alles geht in Angola, einem Land mitten im Ölboom, wo nichts als der Markt herrscht

Das Hotel in der angolanischen Kleinstadt Mbanza Kongo ist der Inbegriff der Trostlosigkeit. In den unverputzten Wänden des Badezimmers klaffen faustgroße Löcher. Kabel hängen herunter. In einer Ecke des Zimmers steht Gerümpel.

Im Restaurant sind fast alle Tische besetzt. An jedem sitzt ein Mann – allein. Die meisten Gäste sind Weiße. Kapitalismus macht hier offenbar nicht mal denen Spaß, die ihn sich leisten können. Alle starren auf einen Bildschirm, auf dem tonlos ein Fußballspiel läuft, während sie auf ihr Essen warten. Hamburger mit Pommes für 20 Dollar. Die Übernachtung im Einzelzimmer kostet 71 Dollar.

Verglichen mit der Hauptstadt ein Schnäppchen. Luanda gilt als teuerste Stadt der Welt, unter 200 Dollar ist kein Bett zu bekommen. „Was wollen Sie?“, sagt ein Diplomat. „Das ist eben das Gesetz von Angebot und Nachfrage. Sie können es auch Raubtierkapitalismus nennen.“ Die Innenstadt ist eine Baustelle. Neue Hochhäuser entstehen neben einsturzgefährdeten Gebäuden. Vor einigen Jahren fiel das Hauptquartier der Kripo in sich zusammen. Einfach so.

Fünf oder sechs Millionen Menschen leben in dieser Stadt, deren Infrastruktur gerade ein Zehntel der Einwohner verkraften könnte. Während des Bürgerkrieges, der vor acht Jahren zu Ende ging, war Luanda die letzte Rettung vor Kämpfen in ländlichen Gebieten. Jetzt lässt der Ölboom ausländische Firmen um Erschließungs- und Förderaufträge konkurrieren. Deren Vertreter zahlen jeden Preis für eine Wohnung oder ein Hotelzimmer. 90 Prozent der Bevölkerung wohnen in Hütten inmitten riesiger Müllhalden. Nachfrage nach besseren Unterkünften gäbe es. Aber kein Angebot.

Es gibt hier keine Maßstäbe, nicht einmal absurde. Hundert Dollar fordert der Polizist vor dem Flughafen von Rauchern, die den winzigen Nichtrauchersticker am Gebäude übersehen haben. Ein Portugiese schiebt ihm mit verächtlicher Geste die Hälfte zu. Die nimmt er, und er akzeptiert auch, dass ich gar nichts zahlen will. Alles geht.

Unterwegs kommen wir durch einen Ort mit einem Denkmal zum Ruhme der Werktätigen. Die angolanische Regierung war früher einmal sozialistisch. Einem der beiden Arbeiter, die auf dem Denkmal stehen, ist der Kopf abgeschlagen worden.

Die Autorin ist politische Korrespondentin der taz und bereist gerade Afrika Foto: A. Losier