LESERINNENBRIEFE
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Bloße Lippenbekenntnisse

■ betr.: „Was mich stört, ist diese Doppelmoral“, tazzwei v. 8. 4. 10

Mit Interesse las ich das Interview mit Gentleman. Von einem musikalisch exzellenten Künstler erwartete ich eigentlich eine klare Absage an Homophobie, wo auch immer diese auftritt. Doch mit Erstaunen erfuhr ich, dass Gentleman anscheinend auch nur einer der vielen ist, für die „Nächstenliebe“ und Respekt bloße Lippenbekenntnisse sind beziehungsweise nicht für alle Menschen gelten. Abgesehen von der paranoiden Tatsachenverdrehung, dass „eine riesige Lobby gegen eine kleine Szene“ vorgehen würde, redet er sich seine Welt zurecht, so dass am Ende die Reggae-Szene eher das Opfer ist. Klar hat er in manchen Punkten Recht, wie zum Beispiel, dass nicht alle Reggae-Musiker homophob sind. Dies wird aber auch von den KritikerInnen nie geleugnet.

Wenn Shizzlas Konzerte verhindert werden von Queers, linken Gruppen und Homophobie-GegnerInnen, dann ist das nur richtig. Denn was in Jamaika teilweise Schwulen und Lesben passiert, heftige Gewalttaten und Verfolgung durch den Staat, ist weder durch Religion und Kulturrelativismus zu rechtfertigen noch mit falscher Liberalität zu tolerieren. Differenziert muss sich damit auseinandergesetzt werden, was auch Ursachen und die Geschichte des Kolonialismus auf Jamaika beinhaltet.

Doppelmoral – wenn das auf jemanden zutrifft, dann auf Gentleman, dessen Mitgefühl, Respekt und Nächstenliebe anscheinend nur begrenzt ist.

GEORG ELSNER, Bremen

Couragiert einmischen

■ betr.: „Was mich stört, ist diese Doppelmoral“, tazzwei v. 8. 4. 10

„Wir reden hier von einer anderen Kultur. Ich kann ja auch nicht Kondomautomaten im Vatikan aufstellen. Oder im Iran gegen Kopftücher protestieren. Genauso wenig kann ich etwas gegen die Homophobie auf Jamaika tun.“ Doch, doch! Genau dieses couragierte Einmischen ist notwendig, wenn wir das Leiden der Opfer sehen. Es hilft nämlich, die inhumanen Machthaber als solche öffentlich zu benennen und deren Repressionsmotive zu entlarven. Es geht global um das Selbstbestimmungsrecht jedes Individuums!

MARIANNE BÄUMLER, Köln

Witz fürs Gemeindeblatt

■ betr.: „Darf der Priester Jesus lecken?“, tazzwei vom 9. 4. 10

Wo habt Ihr denn dieses „Contra“ ausgegraben? Der freche Paulus-Witz passt ja eher in ein Gemeindeblättchen. Also wenn ich die titanic, die ich hassliebe, kritisieren müsste, dann darin, dass sie von Berufs wegen zynisch, besserwisserisch, in keiner Weise konstruktiv und ohne jedes liebevolle Verständnis für die Menschen, ihre Bedürfnisse und ihre Wesenszüge daherkommt. Übrigens ganz im Gegensatz zur taz. Pro: ein lauter grimmiger Lacher pro Heft ist garantiert. Und ein peinlich berührtes „hmm … najaaa“ ebenfalls.

JÖRG ZIMMERMANN, Seligenstadt

Auf den Punkt gebracht

■ betr.: „Darf der Priester Jesus lecken?“, tazzwei vom 9. 4. 10

Zur krassen Darstellungsweise der Titanic gibt Jesus selbst Veranlassung, wenn er sagt: „Was ihr getan habt einem der Geringsten unter meinen Geschwistern, das habt ihr mir getan.“ Bei all den angezeigten Fällen sollten die Kirchen leitenden Herren und Damen sich dieses Jesus-Wort vorhalten und entsprechend entsetzt über ihre Mitarbeiter sein.

Titanic bringt es auf den Punkt.

HENNY DIRKS-BLATT, Peking, China

Was gibt es da zu diskutieren?

■ betr.: „Was mich stört, ist diese Doppelmoral“, tazzwei v. 8. 4. 10

Mir scheint, die Doppelmoral liegt auf Seiten der Sizzla-Verteidiger.

Ginge es um Rassismus, ich denke, Gentleman würde mit seinem Freund längst gebrochen haben. Bei Homophobie und Sexismus ist die Toleranz meist höher.

Offenbar steckt er in einem ähnlichen Loyalitätskonflikt wie weite Teile der Reggaeszene. Man weiß genau, was für ein gefährlicher Schwachsinn in manchen Texten behauptet wird, aber zu einer klaren Solidarisierung gegen die Homophobie der eigenen Kumpels und Idole kann man sich nicht durchringen. Sonst würde man sich nicht halbgar von den schwulenfeindlichen Worten distanzieren und gleichzeitig deren Urheber als Freunde titulieren. Leichter ist es da schon, sich und die Kumpels als Rebellen gegen einen übermächtigen Gegner zu sehen: „eine riesige Lobby gegen eine kleine Szene“.

Wer zu Gewalt und Mord an Schwulen aufruft, wie Sizzla, muss damit leben, wenn der Druck gegen ihn steigt und zu Konzertverhinderungen führt. Ganz einfach. Ich verstehe nicht, was es da zu diskutieren gibt.

MARC GÄRTNER,

Kulturwissenschaftler, Berlin

Die taz-Lesermeinung der Woche

■ Das jetzt auf die 68er zu schieben, ist falsch. Das Gegenteil ist der Fall. Bis in die 70er-Jahre war Sexualität in der Gesellschaft ein Tabuthema.

von user @G.Schäfer zum Thema Missbrauch an der Odenwaldschule