LESERINNENBRIEFE
:

Richtigstellung

■ betr.: „Warum Sarrazin keine Strafe fürchten muss“, taz v. 5. 9. 13

Der Autor behauptet, ich hätte erklärt, dass Rassismus fest im deutschen Rechtssystem verankert sei. Diese Aussage habe ich nicht gemacht. In meinen Ausführungen zum Unterschied zwischen Vorurteilsforschung und Rassismusforschung habe ich die Begriffe des strukturellen und des institutionellen Rassismus eingeführt und gesagt, dass die Hinzuziehung dieser Ebenen für das Thema „Rassismus und Justiz“ bedeuten würde, dass nicht (nur) Einstellungen und Interpretationen einzelner Personen im Rechtssystem auf rassistischen Gehalt und entsprechende Verstrickungen hin zu analysieren seien und Maßnahmen auf dieser Ebene ansetzen müssten, sondern dass das Rechtssystem daraufhin untersucht werden müsste, ob und wie sich rassistische Effekte auf Grund institutioneller Diskriminierung, also Routinen im Handeln und das ganz normale Vorgehen der Justiz ergeben, auch dann, wenn Einzelne nicht rassistisch eingestellt seien oder rassistische Motive hätten. Ich habe im Vortrag explizit darauf hingewiesen, dass ich keine Rechtswissenschaftlerin bin, dass allerdings erste Arbeiten hierzu in der einschlägigen Literatur zu finden sind. Ich habe also nicht behauptet: „Die Gesellschaft und das von ihr geschaffene Recht ist also so rassistisch geprägt, dass es der einzelne Akteur im Justizapparat nicht mehr sein muss“, sondern dass die verschiedenen Ebenen (subjektiv, diskursiv, institutionell und strukturell) in Analysen und bei Gegenmaßnahmen zu berücksichtigen seien.

Auch die Behauptung: „Zwar leugnete auch Attia nicht, dass bestimmte Migrantengruppen häufiger kriminell oder arbeitslos sind“ und die Ursache in der rassistischen Gesellschaft zu suchen sei, ist nicht richtig wiedergegeben. Ich habe mich nicht zur Quantität von Kriminalität und Arbeitslosigkeit geäußert, entsprechende Äußerungen und Zahlen also weder bestätigt noch widerlegt. Vielmehr habe ich darauf hingewiesen, dass Bildungsstand, Arbeitslosigkeit, Segregation, Kriminalität und andere Themen als islamische und kulturelle verhandelt würden, es sich dabei aber um soziale und gesellschaftliche handelt, die treffender mit der sozialen und gesellschaftlichen Situation von Migrant_innen und der gesellschaftlichen Struktur dieser Gesellschaft (und nicht der Kultur der Anderen) nachvollzogen werden können, wie dies etwa die Pisa-Studie oder Studien zur institutionellen Diskriminierung in der Schule zeigten.

Missverständlich ist die Aussage „ich war in einem Frauenhaus“. Richtig ist, dass ich dort in der Beratung gewaltbetroffener Frauen gearbeitet habe. Das Ablegen eines Kopftuchs habe ich nicht im Zusammenhang mit den Ausführungen zum Frauenhaus als „Kolonisierung der Frau“ bezeichnet, sondern im Zusammenhang mit dem französischen Kolonialismus in Algerien angeführt.

Zu Sarrazin habe ich mich nicht geäußert. Hierzu hat der Co-Referent und Anwalt Hans-Eberhard Schultz die Klage des TBB auf europäischer Ebene zitiert (die im Artikel eingangs genannt wird) und in diesem Zusammenhang erwähnt, dass es interessant sei, zu verfolgen, welche Stellungnahme die zuständigen Stellen in der Sache geben werden. Ob Sarrazin eine Strafe fürchten muss oder nicht (siehe Titel des Artikels), war an diesem Abend kein Thema.

IMAN ATTIA, Berlin