Weitere Verfahren gegen Daimler nicht ausgeschlossen

KORRUPTION Kritische AktionärInnen pochen auf Ermittlungen wegen der Schmiergeldaffäre

Es geht um die Frage, wie viel die Konzernspitze wusste

STUTTGART taz | Der Korruptionsskandal beim Autobauer Daimler könnte dem Konzern weiterhin zu schaffen machen. Die Kritischen AktionärInnen Daimler (KAD) kündigten gestern in Stuttgart an, in Deutschland zu klagen, wenn die Staatsanwaltschaft Stuttgart nicht weiterermitteln sollte. „Warum deckt die Staatsanwaltschaft augenscheinlich den Konzern, indem sie nicht handelt?“, fragte KAD-Sprecher Jürgen Grässlin.

Erst Anfang April hatte Daimler seine Schmiergeldaffäre in den USA nach jahrelangen Ermittlungen von US-Behörden zu beenden versucht. Der Konzern, das US-Justizministerium und die Börsenaufsicht SEC hatten sich auf Strafzahlungen von 185 Millionen US-Dollar verständigt. Der schwäbische Autobauer bekannte sich schuldig, über zehn Jahre hinweg in mindestens 22 Ländern Beamte mit Millionenbeträgen bestochen zu haben, um so an Aufträge zu kommen.

Die Schmiergelder hatten offenbar System: Das Topmanagement sei eingeweiht gewesen, schrieb die SEC. In Stuttgart sind allerdings alle Verfahren bis auf zwei eingestellt, beide Male handelt es sich um den Verdacht der Bestechung.

Der Rechtsanwalt und KAD-Sprecher Holger Rothbauer pocht deshalb auf weitere Ermittlungen. In den USA habe es sich um einen zivilrechtlichen Vergleich gehandelt. Das schließe eine strafrechtliche Verfolgung in Deutschland nicht aus. Bestechung im Ausland steht hierzulande wie auch in den USA unter Strafe. „Wir haben unsere Zweifel, ob bei Daimler nicht eine gewisse Systematik dahintersteckt, die ganz oben angesiedelt ist“, sagte Rothbauer.

Es geht also um die Frage, was die Konzernspitze um Vorstandschef Dieter Zetsche wusste, dem die Revisionsabteilung untersteht, die wiederum in die Schmiergeldzahlungen eingeweiht war. Bereits in der Bilanz 2005 seien Rückstellungen für mögliche Strafzahlungen gemacht worden, sagt Rothbauer. Trotzdem wurde laut den Unterlagen der SEC bis ins Jahr 2008 hinein munter weiterbestochen.

Die Staatsanwaltschaft Stuttgart wollte den KAD-Vorwurf nicht kommentieren. Die Entscheidung in den USA habe man zur Kenntnis genommen. Trotzdem könnte die Affäre für Daimler noch nicht überstanden sein: „Ob es zu weiteren Verfahren aufgrund der Ermittlungen in den USA kommt, ist noch offen“, sagte die Staatsanwältin Claudia Krauth der taz.

Die KAD kämpft seit 1990 für eine andere Politik bei Daimler. Rothbauer ist unter anderem als Sonderermittler in den Datenschutzskandalen bei der Deutschen Bahn und bei der Deutschen Telekom im Einsatz. Grässlin schrieb bereits mehrere Bücher und ist bestens im Konzern vernetzt. Im vergangenen Jahr hat er einen Prozess vor dem Bundesgerichtshof gegen Daimler-Exchef Jürgen Schrempp gewonnen, der ihm verbieten wollte, zu mutmaßen, dass seine Geschäfte nicht sauber gewesen seinen. Nun ist Daimler verpflichtet, ihm die Prozesskosten von 40.000 Euro zu erstatten. Wegen ausbleibender Zahlungen zieht Grässlin derzeit wieder vor Gericht. INGO ARZT