Jürgen Rüttgers droht das Fegefeuer

NORDRHEIN-WESTFALEN Zum Auftakt der heißen Phase des Wahlkampfes beschwören alle Parteien das alte Lagerdenken – dabei arbeiten Christdemokraten und Grüne längst an einem schwarz-grünen Bündnis

In keiner Umfrage hatten Christdemokraten und Liberale in NRW eine Mehrheit

BOCHUM taz | Triumphal war dieser Wahlkampfauftakt gewesen. „We Are the Champions“ dröhnte es 2005, als Jürgen Rüttgers in die Arena Oberhausen einzog. Hier kommt der CDU-Spitzenkandidat, der die SPD nach 39 Jahren von der Macht verdrängen wird – das war die Botschaft des mit Lichteffekten durchchoreografierten Events.

Fünf Jahre ist das her – und Rüttgers, mittlerweile NRW-Ministerpräsident, wird alle Mühe haben, die Oberhausener Arena am Sonnabend vollzubekommen. Statt 8.000 könnten nach der Sponsoringaffäre um verkaufte Gespräche nur 4.000 CDU-Mitglieder kommen, fürchtet die Parteizentrale – und hat die Halle auch für nicht parteigebundene BürgerInnen freigegeben. Auch auf Angela Merkel wird Rüttgers verzichten müssen. Die Abwesenheit der Kanzlerin der schwarz-gelben Koalition im Bund symbolisiert das Ende von Rüttgers’ Bündnis mit der FDP: In keiner der bisherigen Umfragen hatten Christdemokraten und Liberale in NRW eine Mehrheit. Zwar konnte sich die CDU mit aktuell 38 Prozent leicht erholen, doch die FDP dümpelt bei 8 Prozent. Rechnerisch denkbar ist damit noch immer nur Rot-Rot-Grün, eine große Koalition – oder Schwarz-Grün.

Dennoch führen alle Parteien einen trotzigen Lagerwahlkampf. FDP-Landeschef Andreas Pinkwart warnt vor einem „Schulkrieg“, der einer schwarz-grünen Regierung drohe. „Unser Wunschpartner ist und bleibt die FDP“, versichert CDU-Landesvize Eckhard Uhlenberg – und begründet das als Umweltminister mit dem grünen Wunsch nach weniger Kohleverstromung. CDU-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann sagt: „Schwarz-Grün ist für mich eine grausame Vorstellung – fast schon Fegefeuer.“

Auf die alten Lager setzen auch SPD und Grüne. Ihre Spitzenkandidatinnen Hannelore Kraft und Sylvia Löhrmann wollen bei einem gemeinsamen Auftritt mit den Bundesvorsitzenden ihrer Parteien in Berlin „Regierungswillen“ demonstrieren. Die SPD demonstriert den Schulterschluss mit den Gewerkschaften und nominierte zwei Tage vor ihrem Wahlkampfauftakt am Sonnabend den nordrhein-westfälischen DGB-Chef Guntram Schneider als Arbeitsminister eines Schattenkabinetts Kraft. Robert Zion, Vertreter der linken Basis der Grünen, verspricht: „Wir wechseln nicht das Lager.“

Sicher ist das nicht. Wie SPD-Spitzenkandidatin Kraft hält die grüne Fraktionsführung um Löhrmann die Linke für nicht regierungsfähig – und schwärmt schon seit Monaten von Schwarz-Grün. Rüttgers seinerseits warnt vor einem Bündnis mit „Kommunisten und Radikalen“, das die SPD plane. Die Grünen aber schont er auffällig. ANDREAS WYPUTTA

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