Stiftung vs. Investor

GELD EINTREIBEN Privatisierungen und steigende Mietpreise treiben immer mehr Sozial- und Kulturprojekte ins Aus. Gemeinnützige Stiftungen helfen den Projekten bei der Selbsthilfe – mit erfreulichen Ergebnissen

Die Stiftung verpachtet das Grundstück per Erbbaurechtsvertrag dem Verein

VON LAURA WAGENER

Wohnen mitten in Berlin wird immer teurer. Untere Einkommensgruppen geben heute schon über ein Drittel ihres Einkommens für die Miete aus. Wer sich die nächste Mieterhöhung nicht mehr leisten kann, muss an den Stadtrand ziehen. Gerade in Szenebezirken wie Friedrichshain, Prenzlauer Berg oder Mitte wird jedoch nicht nur das soziale Miteinander bedroht, sondern auch die kulturelle Vielfalt. Denn von der Aufwertungsspirale ist auch die „Off-Szene“ betroffen – doch es gibt auch Überlebensgeschichten wie den Schokoladen in Berlin-Mitte. Schon seit den neunziger Jahren machte der Verein „Goldener Acker“ dort nicht nur Kunstausstellungen, Theater, Konzerte oder Lesebühnen möglich, sondern auch ein Wohnprojekt. Die namensspendende Ackerstraße gehört jedoch längst zu den gehobenen Wohnlagen – so wurde 2003 das Haus an einen Investor vergeben, der nicht nur die Kernsanierung plante, sondern auch den profitablen Weiterverkauf von Wohnungen und Gewerbeflächen.

„Für uns war das, als wenn wir unser Herz verlieren sollten“, erinnert sich Anja Gerlich, Mitglied des Goldenen Ackers, „wir sind ja eben nicht nur ein Wohnprojekt, sondern die Hälfte der Fläche hier wird für künstlerische und kulturelle Aktivitäten genutzt“. Angebote des Vereins, das Haus zu kaufen, scheiterten sowohl an der vom Investor verlangten Summe als auch an der Unterschiedlichkeit der Gesinnung von Mietern und Eigentümer. Um das Aus des Projektes zu verhindern, wandte sich der Verein an die Stiftung Edith Maryon.

Der Schweizer Förderer hat bereits über 100 Vereinen bei dem Erwerb von Häusern oder Grundstücken geholfen. Christoph Langscheid, Mitbegründer der Stiftung, über den Vorteil der Zusammenarbeit: „Den kleineren Projekten bringen die Eigentümer oft Misstrauen entgegen, ob diese die Finanzierung wirklich realisieren können. Die Stiftung hat ja nun schon viele Projekte erfolgreich abgewickelt. Das gibt den Eigentümern mehr Vertrauen, dass sie einen Partner haben, der bestimmte Dinge auch verwirklichen kann.“

Dank der Bemühungen der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt wie auch der Unterstützung der Stiftung gelang es nach jahrelangen Verhandlungen tatsächlich, einen Kompromiss zu schließen. Der Eigentümer erhielt vom Berliner Liegenschaftsfonds ein gleichwertiges Grundstück, zugleich verpflichtete er sich zum Verkauf der Ackerstraße 169 an die Stiftung Edith Maryon. Diese verpachtet das Grundstück per Erbbaurechtsvertrag jetzt dem Verein Goldener Acker, die Immobilie selbst wurde an den Verein verkauft.

Die Miete im Schokoladen richtet sich jetzt nicht wie sonst üblich nach der örtlichen Vergleichsmiete, sondern nach den Kreditkosten, den Neben- und Renovierungskosten und einem Solidaritätszuschlag für weitere Projekte des Vereins, wie der Instandhaltung des Gebäudes. Die Miete liegt unter der sonst im Berliner Zentrum üblichen.

Die Zahl solcher Hausprojekte wächst mittlerweile in Deutschland stetig. Allein in der Hauptstadt gibt es weit über 100 Objekte, die mit Hilfe von Stiftungen langfristig in die Hand eines Miet- oder Projektvereins übergegangen sind.

Ein weiteres prominentes Beispiel ist das Gelände der ehemaligen „Bar 25“, das in bester Citylage direkt am Spreeufer liegt. Ähnlich wie im Fall des Schokoladens schien die Zeit für solche Zwischennutzungen abgelaufen zu sein – der Club musste schon im Jahr 2010 schließen. Inzwischen ist die Location aber unter dem Namen „Kater Holzig“ wieder auferstanden, unterstützt durch die Schweizer Stiftung Abendrot, welche den Kauf der begehrten Flächen übernahm. Grundlage der zukünftigen Nutzung ist in diesem Fall ebenfalls ein Erbbaurechtsvertrag.

Ein fader Beigeschmack jedoch bleibt: Auch wenn dank solcher Lösungen einige Projekte ihr Bestehen sichern können – eine flächendeckende Lösung des Grundproblems wird auf diese Weise nicht möglich sein.