Staatswette mit Verlustquoten

NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers berät heute mit seinen Amtskollegen über das Karlsruher Sportwetten-Urteil. Zukunft der staatlichen Oddset-Wette offen. Land drohen Millionenausfälle

VON MARTIN TEIGELER

NRW entscheidet über das Glück der Wettbranche. Nach dem Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts zum Thema Sportwetten muss das Land bestimmen, wie es weiter geht mit privaten Wettbüros und staatlichen Tippscheinen. Bereits auf der heutigen Ministerpräsidentenkonferenz in Berlin will NRW-Regierungschef Jürgen Rüttgers (CDU) mit seinen Amtskollegen über neue Regeln für Sportwetter und Buchmacher sprechen. Obwohl die Regierung monatelang Zeit hatte, sich auf die Karlsruher Entscheidung vorzubereiten, liegen offenbar noch keine konkreten Pläne vor. „Die Landesregierung wird das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zunächst detailliert auswerten, bevor konkrete Schlussfolgerungen aus der Entscheidung getroffen werden können“, sagte Vize-Regierungssprecher Holger Schlienkamp gestern zur taz.

Das Dilemma der Regierung: Der Staat kann nur an dem lukrativen Glücksspielmonopol festhalten, wenn er die Sportwetten in Grenzen hält und mehr für die Suchtprävention unternimmt. So wollen es die Richter. Diese Pflicht gilt für den staatlichen Sportwetten-Anbieter Oddset, ein Ableger der Lottogesellschaften, ab sofort. Doch die Einschränkung des Wettgeschäfts kostet den Staat gleichzeitig Geld. Im Haushaltsentwurf 2006 hat NRW-Finanzminister Helmut Linssen (CDU) allein 17 Millionen Euro Konzessionseinnahmen aus der Fußballwette eingeplant. Wegen des Booms privater Wettbüros sind die erwarteten Oddset-Einnahmen ohnehin rückläufig, das höchstrichterliche Urteil könnte diesen Trend verstärken – zumal Oddset künftig seine Werbung einschränken muss. Unklar sind zudem die Auswirkungen des Urteils auf die noch profitträchtigeren Spielbanken.

Vor allem gemeinnützige Institutionen, die von den Konzessionsabgaben der Staatswette profitieren, hoffen trotzdem auf Rüttgers und seine Ministerpräsidentenkollegen. „Jetzt liegt es an der Politik, die Chance zu nutzen, die das Gericht bietet“, sagt etwa Walter Probst, Geschäftsführer des Landessportbundes (LSB) NRW. Der Dachverband der Sportvereine an Rhein und Ruhr verwaltet einen Etat von knapp 50 Millionen Euro, der sich wesentlich aus Lotto- und Oddseteinnahmen speist. LSB-Geschäftsführer Probst fordert nach dem Karlsruher Urteil eine neue Regelung, „über Lottoerträge gemeinwohlorientiertes Handeln zu sichern“. Auch die Politik hat ein Interesse, die Verschränkung zwischen Sportlotto und Sportförderung aufrecht zu erhalten. Ansonsten müsste die Sport- und Kulturförderung noch stärker als bisher aus dem leeren Landeshaushalt finanziert werden.

In einer ersten Reaktion auf den Richterspruch hatte Ministerpräsident Rüttgers gesagt: „Die Politik hat jetzt die Aufgabe, das Sportwettenrecht neu zu ordnen. Dabei werden wir eine Lösung anstreben, die eine angemessene Ausstattung der zahlreichen sozialen, kulturellen und sportlichen Stiftungen sicherstellt.“ Wie eine solche salomonische Lösung aussehen könnte, ist offen. Bei Rüttgers‘ Koalitionspartner FDP wollte gestern auf Nachfrage kein Liberaler sagen, ob und wie das staatliche Wettmonopol gerettet werden soll.

Gisela Walsken, finanzpolitische Sprecherin der SPD-Opposition, fordert nun verbindliche neue Regeln für die Vergabe von Buchmacher-Konzessionen: „Der zukünftige Rahmen für Sportwettenkonzessionen muss eindeutige ordnungspolitische Gesichtspunkte berücksichtigen: Es geht um die wirkungsvolle Bekämpfung von illegalen Spielbetrieben, einen effektiven Schutz vor Spielsucht und die Kanalisierung des natürlichen Spieltriebs des Menschen.“ Und Karlsruhe habe den Ländern aufgegeben, schnell zu einer Lösung zu kommen. Dies sei auch im Interesse der Kommunen, die sich teilweise einem „Wildwuchs neuer Wettbüros“ ausgesetzt sehen. Doch die NRW-Städte warten nun ab. Bis die Landesregierung das komplizierte BVG-Urteil zu Ende geprüft hat, bleiben die zahlreichen privaten Wettbüros an Rhein und Ruhr offen.