KREDITKARTE LÖST BARGELD AB
: Leere im Portmonnä

VON REINHARD WOLFF

Kann es sein, dass ich da was missverstanden habe?“ Norbert war wirklich verwirrt. Dem Berliner gehört in der Nachbarschaft ein Ferienhaus, für die laufenden Rechnungen hat er sich ein schwedisches Bankkonto zugelegt. Weil deutsche Banken für Überweisungen nach Schweden teilweise saftige Gebühren kassieren, füllte er dieses bislang regelmäßig mit Bareinzahlungen vor Ort auf. Doch diesmal hatte sich die Bankangestellte geweigert, seine 3.500 Kronen entgegenzunehmen.

Mit Bargeld wollen viele Banken in Schweden nichts mehr zu tun haben. Nicht einmal am Schalter kann man es auf das eigene Konto einzahlen. Abheben? Ebenfalls Fehlanzeige: Das geht nur am Automaten. Nur eine der vier landesweiten Bankketten bietet noch in allen Filialen Bargeldservice an. Mit Scheinen und Münzen lässt sich für die Banken kein Geld verdienen. Kreditkarten sind dagegen ein einträgliches Geschäft.

Natürlich haben die Finanzinstitute wohlklingende Begründungen für ihren Ausstieg aus dem Bargeldkreislauf: Der sei umweltschädlich und verstärke den Treibhauseffekt. 700 Tonnen CO2 könnten durch weniger Geldtransporte jährlich eingespart werden. Und das Risiko von Raubüberfällen sinke.

Einen Schwedenurlaub ohne Kreditkarte? Das sollte man besser gar nicht erst versuchen. Selbst für Kleinstbeträge im Café holen Schweden die Karte aus dem „Portmonnä“, immer mehr Geschäfte schaffen die Kassen ab. In mancher Pizzeria hängt bereits das Schild: „Endast kortbetalning“, nur Kartenzahlung.

„Bargeld ist zu teuer“, verteidigt Bengt Nilervall vom schwedischen Händlerverband die Entwicklung. Die Läden machten 90 Prozent ihres Umsatzes mit Kredit- und Bankkarten, und da sei es relativ gesehen ein großer Aufwand, weiterhin Scheine und Münzen zu akzeptieren. Zumal man sie oft nicht mehr einfach bei der nächsten Bank loswerden kann.

In Bus oder Bahn einen Einzelfahrschein zu lösen, ist in vielen Regionen schon lange unmöglich. Mit Barem sowieso, oft wird nicht einmal mehr die Kreditkarte akzeptiert. Die meisten Verkehrsbetriebe haben eigenes Plastikgeld eingeführt, Reise- oder Zeitkarten, die man per Internet mit einem Guthaben auflädt. Die einzige Alternative dazu ist das SMS-Ticket. Doch mit im Ausland registrierten Handys funktioniert das System nicht. Touristen haben es schwer, nicht als Schwarzfahrer zu enden.

Schweden, das 1661 als erstes europäisches Land Banknoten einführte, könnte das erste sein, in dem sie wieder verschwinden. 2030 sei dafür ein realistisches Datum, hieß die Schätzung in einer kürzlich veröffentlichten Studie. Doch dafür müsse die jetzige IT-Infrastruktur sicherer werden. Wiederholt haben Stromausfälle oder Serverstörungen dazu geführt, dass Geschäfte stundenlang einfach schließen mussten oder im öffentlichen Nahverkehr unfreiwillig Nulltarif herrschte.