Wie der Jazz den Film veredelt

In der Reihe „ECM and the Movies“ laufen im Bremer Kino 46 Filme mit den Soundtracks von Keith Jarrett,Jan Garbarek und Arvo Pärt

Als „die schönsten Töne nach der Stille“ wurde die Musik gelobt, die der Plattenproduzent Manfred Eicher zuerst mit Jazzmusikern wie Keith Jarrett oder Jan Garbarek und dann mit Komponisten der Neuen Musik wie Arvo Pärt kultivierte. Etwas respektlos kann man auch von einem „ewigen Adagio“ sprechen, und ich erinnere mich an ein Aha-Erlebnis, als eine Duoaufnahme von Egberto Gismonti und Charlie Haden auf dem Plattenteller lag, die aus Versehen mit 45 statt 33 Umdrehungen abgespielt wurde, dann aber nach der Korrektur kaum anders klang.

Neben der makellosen Aufnahmequalität ist den Produktionen von Eichers ECM-Label diese melancholisch, lyrische Atmosphäre eigen, und Filmemacher sind immer auf der Suche nach Musiken, die die Stimmungen ihrer Bilder verstärken oder kontrastieren können. Kein Wunder also, dass Regisseure gerne ECM-Produktionen in ihren Filmen einsetzen.

Keith Jarrett komponierte und spielte 1976 für die französische Komödie „Mon coeur est rouge“ von Michéle Rosier eine komplette Filmmusik, die aber zusammen mit dem Kinoflop in der Versenkung verschwand. Dabei hat der Pianist soviel eingespielt, dass sich ein Filmemacher nur bei den ECM-Produktionen zu bedienen braucht, um daraus einen guten Soundtrack zusammenzusuchen. Die Regisseurin Sandra Nettelbeck bewies dies mit „Bella Martha“, in dem sie den kulinarischen Schönklang des Pianisten stimmig und klug eingesetzte.

Statt dieses auch international erfolgreichen Mainstreamfilms zeigt das Kino 46 aber die Hollywoodproduktion „Insider“ von Michael Mann, bei der man sich eher an die schauspielerischen Leistungen von Russell Crowe und Al Pacino als an den Soundtrack erinnert. Aber dies spricht im Grunde nur für das Geschick der Filmemacher, denn es gilt die Grundregel: „Die beste Filmmusik ist die, die man bewusst gar nicht hört“ So wirken auch hier die Töne von Jan Garbarek, Arvo Pärt und dem Cellisten David Darling eher unterschwellig. Manfred Eicher, der an diesem Wochenende bei der Messe „Jazzahead“ zu Gast war, sagte dort: „Gute Bilder können gegen diese Töne bestehen, schlechte ertragen sie nicht!“ Wie eine zweite, poetische Ebene hat der Regisseur Xavier Koller 1991 in seinen Film über illegale türkische Flüchtlinge in der Schweiz „Reise der Hoffnung“ ECM-Klänge in seine Tonspur eingebaut. „Die elegische Musik von Jan Garbarek, Terje Rypdal oder Egberto Gismonti trifft genau den tragischen Grundton, der die Geschichte bestimmt.“ schrieb ich damals.

Und auch der Champion des cineastischen Weltschmerzes Theo Angelopoulos hat sich bei ECM bedient. In der nächsten Woche zeigt das Kino 46 deshalb seine „Landschaft im Nebel“, in der man die orchestralen Seufzer von Eleni Karaindrou hören kann. Jean-Luc Godard entwickelt sich zur Zeit sogar zum „Hausregisseur“ von ECM. Denn er setzt nicht nur in seinem neuen Film „Nôtre Musique“, der als Erstaufführung in dieser Reihe gezeigt wird, Musik von Meredith Monk und Arvo Pärt ein, sondern ECM bringt auch im nächsten Monat eine DVD mit vier neuen Kurzfilmen von Godard heraus, in denen dann fast ausschließlich Musik des Labels verwendet wurde. Abgerundet wird das Programm durch einen „Abend für Arvo Pärt“, bei dem Karl-Heinz Schmid Filmauschnitte zeigt, in denen die Musik des estnischen Komponisten verwendet wird. Die Bandbreite reicht dabei von Tom Tykwers „Winterschläfer“ über Gus van Sant‘s „Garry“ bis zu „Fahrenheit 9/11“ von Michael Moore. Droht die wunderschöne Musik von Pärt da nicht durch das Kino genauso zum Klangklischee zu werden wie in den 80er Jahren die „Gymnopédies“ von Eric Satie? Wilfried Hippen