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: Firewall

Der Schauspieler Harrison Ford hat in seiner Karriere stets eine von zwei Rollen gespielt. Zum einen gab er den Helden als in Wirklichkeit sympathischen Typ von nebenan, dessen großspurige Art ihn auf den ersten Blick wie einen Aufschneider wirken lässt, bevor er sich im Lauf des Films tatsächlich als Mann der Stunde beweisen kann. Als Indiana Jones war er ein unrasierter Macho mit Angst vor Schlangen, als Han Solo waren seine Witze zu flach und sein Raumschiff zu verrostet, um aus ihm eine strahlende Heldenfigur zu machen. Zum Glück: Die Makellosen mag sowieso eh keiner. Er war immer mehr Glücksritter als Ritter, doch am Ende setzte er sich mit Zähigkeit durch.

Seine zweite Rolle ist eigentlich dieselbe, nur umgedreht. Zum anderen spielte er nämlich oft den harmlosen Familienmensch, der durch extreme Umstände ins Heldenkostüm gepresst wird. Ein Normalo im Ausnahmezustand. Schauspielerkollegen loben, dass bei inszenierten Prügeleien keiner so gut die physische Wucht, einen Hieb einstecken zu müssen, darstellen kann wie er. Er wankt und taumelt, aber er fällt nicht.

In „Firewall“ von Richard Loncraine wurde Ford mal wieder für den späteren Typus gecastet. Er spielt den IT-Experten einer Bank, deren elektronisches Sicherheitssystem er selbst so perfekt angelegt hat, dass einer Gruppe von Gangstern unter der Führung von Paul Bettany gar nichts anderes übrig bleibt, als ihn zu ihrem unfreiwilligen Komplizen zu machen, indem sie seine Familie als Geisel nehmen. Das Szenario bietet, wie im High-Tech-Thriller mittlerweile üblich, jede Menge Überwachungs- und Kontrolltechnologien und mögliche Wege ihrer Umgehung oder kreativen Neuverwendung. Jedes Sicherheitsinstrument ist hier wie ein zweischneidiges Messer: Es kann Schutz bedeuten oder Gefahr.

Spionagetechnologien ermöglichen den Angreifern, das gesamte Privatleben Fords im Vorfeld auszuleuchten. Alarmsysteme können Menschen ausschließen und genauso einsperren. Virtuelles Geld macht Transfers einfacher, die Finanzinstitute aber auch angreifbarer. Nach einer desinteressierten Tour durch die mit Goldbarren gefüllten Tresorräume stellt Bettany im Rechnerzentrum des Bankgebäudes fest: „Das hier ist die wahre Schatzkammer.“

Der Showdown belohnt dann, wie zum Ausgleich für die bewiesenen Unwägbarkeiten und Doppeldeutigkeiten einer durchtechnisierten Welt, mit einer völlig untechnischen Prügelei, bei der die Gegner in Wildwestmanier durch Fenster und Holzwände krachen.

Zurück zur Natur und zum vermutlich kitschigsten Schlussbild des Kinojahres.

DIETMAR KAMMERER

„Firewall“. Regie: Richard Loncraine. Mit Harrison Ford, Paul Bettany u. a. USA 2006, 105 Min.