portrait
: Vom Untergrund bis zum Premiersessel

Als 60-Jähriger erfüllt sich Ehud Olmert seinen Kindheitstraum. Schon als Junge sah er sich als Premierminister. Dabei fehlte es dem ambitionierten Sohn russischer Einwanderer, der seine frühe Kindheit in einem Trainingslager radikaler jüdischer Untergrundkämpfer erlebte, stets an Charisma. Er war nie so gehasst und so geschätzt wie sein Vorgänger Ariel Scharon, obschon er als arrogant, berechnend und manchmal rücksichtslos gilt, zugleich aber als sensibler und passionierter Familienvater.

Der von ihm gepflegte Ruf des integren Politikers, der sich bis zu den Wahlen aus Anstand weigerte, den Stuhl des sterbenden Scharon zu besetzen, weil er sich ihn „noch nicht verdient“ habe, geriet im Wahlkampf ins Wanken. Gerade rechtzeitig wussten politische Gegner die Presse von dubiosen Geschäften zu unterrichten: Olmert habe eine lächerliche Summe für seine Villa in Jerusalem bezahlt. Der Mann, der als Kämpfer gegen Korruption ersten Ruhm erntete, war selbst als korrupt entlarvt worden.

Im Anschluss an den Militärdienst, den er als Reporter des Armee-Magazins ohne großartige Heldentaten hinter sich brachte, studierte Olmert Psychologie, Philosophie und Jura. Kaum 28 Jahre alt, zog er ins Parlament ein, wo er sich dem Kampf gegen Korruption und organisiertes Verbrechen widmete. Abgesehen von zehn Jahren als Bürgermeister im Rathaus von Jerusalem blieb er seinem Arbeitsplatz treu, wurde Minister für Gesundheit, später für Industrie- und Handel.

In der rechtsnationalen Wiege von Menachem Begins Irgun, einer jüdischen Untergrundbewegung, genährt, hinkte er dem politischen Umdenkungsprozess des späteren Premiers hinterher und stimmte gegen den Friedensprozess mit Ägypten, den Begin 1978 unterzeichnete. Seine radikale Haltung hinderte ihn aber nicht, die linksliberale Autorin Alisa Richter zu heiraten. Eins der fünf Kinder – darunter eine Adoptivtochter – hat den Wehrdienst verweigert.

Erst mit der Idee Scharons vom einseitigen Abzug änderte sich Olmerts Ton. „35 Jahre Ehe mit Alisa tragen Früchte“, kommentierte er den Wandel. Der einstige Verfechter von Groß-Israel warnte vor demografischen Veränderungen. Um den Staat Israel sowohl jüdisch als auch demokratisch gestalten zu können, müsse man sich von Teilen des in der Bibel versprochenen Eretz Israel verabschieden. Es erschien nur allzu logisch, als Olmert Scharons Erbe antrat. Die politischen Analysten räumten ihm zunächst keine Chancen ein. Kadima, das sei Scharon, so meinten sie, und irrten. Olmert absolvierte den dreimonatigen Balanceakt von der Amtsübernahme bis zur Wahl mit Bravour und einer Portion Glück. SUSANNE KNAUL