Jukebox

Gebrauchsspuren in Chrom. Tape it or leave it!

Gern wird die Geschichte erzählt, dass einst Gunther Sachs tausende Rosen aus dem Hubschrauber auf das Anwesen von Brigitte Bardot niederregnen ließ. Als Romantik verklärter Playboy-Protz, der bis auf weiteres nichts mit folgendem Thema zu tun hat.

Es geht um fast vergessene Kulturtechniken. In den Pop-Erinnerungsbüchern findet sich immer diese Stelle, dass in den Kinderzimmern die Popdokumentaristen saßen, ihre Finger ängstlich über der Aufnahme-Taste am Kassettenrekorder schweben lassend und am Radio lauschend den geeigneten Moment abwartend, bis der Ansager endlich aufhört zu quatschen und die neue Hitparadensingle zu hören ist. Jetzt schnell Taste drücken. Beim Ende des Lieds das gleiche Spiel. So eine private Kassettenkompilation vor dem Zeitalter der Bravo-Mix-CDs war eine mühselige Angelegenheit.

Viel einfacher natürlich, ein Album gleich komplett zu kopieren. Freundlicherweise forderten einen die dB’s mit einer Notiz auf dem „Repercussion“-Cover dazu auf: „This album comes with a free cassette version of the album.“ Tatsächlich finden sich auf der Platte dieser nachgeborenen Beatles nur Lieder, die allesamt auf so eine Lieblingsliederkassette draufgehören oder mindestens „We were happy there“, „Neverland“ und „Nothing is wrong“. Ein Baggersee-Pop, der allen eine Sonne im Herzen anknipst, und aus solchen Songs soll eine anständige Lieblingsliederkassette schon beschaffen sein, weil die ja weitergereicht wurde (vergessene Kulturtechnik). Wäre man Sachs und deswegen ein depperter Protz gewesen, hätte man das natürlich mit einer scheißteuer zu produzierenden Vinyl-LP gemacht. Ging aber nicht. Vinyl war nur der gehuldigte Fetisch, und Kassette das mindere, das demokratischere Medium. Genau in dieser Spanne aber ist auch der Mehr-Wert so einer Lieblingsliederkassette verborgen. Sorgfältig wurde sie zusammengestellt und weitergereicht wie abgeschriebene Gedichte. Und ist damit überhaupt nicht zu vergleichen mit der heutigen Form von Datenweiterleitung, wo Netzwatcher per Click so Skurrilitäten zum gefälligen Gelächter am nächsten Arbeitsplatz schicken, dass dann plötzlich Knallchargen wie aktuell die Grup Tekkan mit ihrem hingehunzten Schmusesoul „Wo bist du, mein Sonnenlicht?“ in die Hitparade kommen. Internet is killing Kassettendeck.

Zum morgigen 1. April gibt es übrigens im Westgermany, Skalitzer Straße 133, eine Kassetten-fanzinereleaseparty: „Der letzte Schrei. Das Cassettenfanzine für Menschen, die nichts lernen wollen“. Begleitet von Sexo y Droga und Narodnaja Wolja mit wilder Musik. THOMAS MAUCH