England: Arm unten

Englands Fußballfunktionäre sind nicht gut zu sprechen auf die Uefa. Da haben sie seit Jahren viel Geld für Überwachungskameras in den Stadien, für antirassistische Aufklärungsarbeit und für Werbemaßnahmen gegen Rassismus ausgegeben, und dann behauptet ein Uefa-Direktor, es sei alles für die Katz gewesen.

William Gaillard, Uefa-Direktor für Öffentlichkeitsarbeit, findet nicht, dass der Rassismus in englischen Fußballstadien besiegt sei. Der einzige Grund, warum man das Nazigebrüll in englischen Stadien nicht mehr so oft höre, sei die Preispolitik der britischen Clubs: Fans aus der Arbeiterklasse können sich die stark gestiegenen Eintrittskarten nicht mehr leisten, meint Gaillard. „Wenn man die Stadien mit Leuten aus der Mittelschicht füllt“, sagte er, „dann hat man nun mal weniger Probleme.“

Die Organisationen, die den Rassismus in den Fußballstadien in England seit 20 Jahren bekämpfen, glauben, der Uefa-Direktor ist nicht recht bei Trost. Piara Powar von der Organisation „Kick it out“ sagte: „Funktionäre greifen gerne auf das Vorurteil zurück, dass die Mittelschicht nicht rassistisch sei. Aber man stößt auf der Ehrentribüne genauso oft auf Rassismus wie auf den Stehplätzen.“ Garth Crooks, der frühere Tottenham-Stürmer, inzwischen Fußballreporter bei der BBC, sagt: „Gaillards irregeleitete Bemerkungen ignorieren die Tatsache, dass die Karten bei vielen Vereinen nach wie vor erschwinglich sind. Es gibt keinen Zweifel, dass der Kampf gegen Rassismus in England bedeutend erfolgreicher geführt wird als irgendwo sonst in Europa.“

Als Beispiel führt Crooks einen Zwischenfall Ende Februar an, als zwei taubstumme Fußballfans von Verteidiger Steve Finnans Lippen eine rassistische Bemerkung gegen Manchesters schwarzen Stürmer Patrice Evra abgelesen haben wollten. Die Polizei hat eine Untersuchung eingeleitet. „In anderen Ländern hätte man die Sache auf sich beruhen lassen“, glaubt Crooks.

Simon Jordan, der Vorsitzende von Crystal Palace, sagt: „Die Uefa muss endlich ihr ignorantes Vorurteil gegen England aufgeben und das englische Modell als Beispiel für den Rest Europas akzeptieren.“ RALF SOTSCHECK, DUBLIN