AUS AFGHANISTAN NACH ITALIEN: EIN KONVERTIT HAT GLÜCK GEHABT
: Das ist aktive Asylpolitik

Das war ein vorbildhafter Einsatz für die Menschenrechte. Italien beließ es nicht wie andere Staaten beim Druck auf die afghanische Regierung, um das drohende Todesurteil gegen den zum Christentum übergetretenen Abdul Rahman abzuwenden: Kaum war der Mann auf freiem Fuß, schickte die Regierung aus Rom ein Flugzeug, ließ Rahman nach Italien fliegen, und das Kabinett beschloss stehenden Fußes, dem Mann Asyl zu gewähren. So etwas verdient die Bezeichnung „aktive Asylpolitik“. Endlich einmal findet sich eine Regierung, die nicht darauf setzt, Antragsteller an ihren Grenzen abzuwimmeln, sondern die ihre Beamten ausschwärmen lässt, um in fernen Ländern Opfer religiöser oder politischer Verfolgung einzusammeln, in Sicherheit zu bringen, ihnen ebenso blitzschnell wie unbürokratisch Schutz zu gewähren.

Schade nur, dass der Alltag der Asylpolitik in Italien ganz anders aussieht. Immer wieder gelingt es Flüchtlingen nicht einmal, ihren Antrag abzugeben: Von der Insel Lampedusa aus zum Beispiel wurden mehrfach Massenabschiebungen vorgenommen, ohne dass die Betroffenen überhaupt im Beisein eines Anwalts angehört worden wären. Aber auch wer es ins Land schafft und seinen Antrag loswird – nicht beim Kabinett Berlusconi, sondern bei der zuständigen Asylkommission –, darf nicht mit Großzügigkeit rechnen. Der Staat legt ihm ein Arbeitsverbot auf, solange die Prüfung läuft, und das dauert anders als bei dem Afghanen nicht einen Tag, sondern eher schon ein bis zwei Jahre. Zugleich aber gibt es null staatliche Unterstützung, keinen Schlafplatz, keinen auch noch so bescheidenen Scheck, um sich über Wasser zu halten. Sieh, wo du bleibst, ist die Botschaft einer Politik, die die Asylbewerber in die Schwarzarbeit zwingt und ihnen den Schlafplatz unter der Brücke anbietet.

Aber am 9. April wird in Italien gewählt. Da wurde die extra eingerichtete Luftbrücke nach Kabul zum wunderschönen Wahlspot für eine Regierung, die von Asyl sonst nicht viel hält, dazu noch mit einem Kandidaten nach Maß: Nicht ein Muslimbruder oder Kommunist kommt da ins Land, sondern ein zum Christentum Bekehrter – Rahman hat einfach nur Glück gehabt. MICHAEL BRAUN