Schicksalsstunde für die Opposition

Am Sonntag finden die von Thailands Premier Thaksin angekündigten Neuwahlen statt. Die Opposition boykottiert und fordert ihre Anhänger auf, „keine Stimme“ anzukreuzen. Ob dabei ein beschlussfähiges Parlament herauskommt, ist unklar

AUS BANGKOK NICOLA GLASS

Wäre es nach den Initiatoren der Massenproteste, der Volksallianz für Demokratie (PAD), gegangen, hätte Thailands Premier Thaksin Shinawatra längst seinen Hut nehmen müssen. Ziel der vom Medienmogul Sondhi Limthongkul und dem Exgeneral Chamlong Srimuang angeführten Demonstrationen war es, den Regierungschef noch vor den Neuwahlen am 2. April aus dem Amt zu hieven. Das haben die Protestler, die Thaksin Korruption und Amtsmissbrauch vorwerfen, nicht geschafft. Stattdessen hat die Wahlkommission am Dienstag offiziell bestätigt, dass der Urnengang wie vorgesehen stattfinden würde.

Ob diese vorgezogenen Wahlen drei Jahre vor Ende der jetzigen Legislaturperiode Premier Thaksin die nötige Legitimität verschaffen werden, ist dennoch fraglich. Massive Probleme zeichnen sich jetzt schon ab: In mehreren Dutzend der insgesamt 400 Wahlbezirke für das Unterhaus steht bereits fest, dass die dort aufgestellten Repräsentanten von Thaksins Partei „Thai Rak Thai“ (Thais lieben Thais) keinen Gegenkandidaten haben werden. Laut Bangkok Post soll es sich dabei um bis zu 100 Kandidaten handeln. Um den entsprechenden Sitz im Parlament zu gewinnen, müsste der jeweilige Bewerber aber trotzdem eine Mehrheit der gültig abgegebenen Stimmen auf sich vereinen – und dabei werden jene Stimmzettel mitgezählt, die mit „keine Stimme“ gekennzeichnet sind.

Das zu erreichen dürfte für viele Abgesandte der Thai Rak Thai unwahrscheinlich sein, vor allem in der Hauptstadt Bangkok und in den thailändischen Südprovinzen, die traditionell eine Hochburg der oppositionellen Demokratischen Partei sind. Denn die größeren Oppositionsparteien hatten längst angekündigt, den Urnengang zu boykottieren. In den vergangenen Tagen appellierten sie verstärkt an ihre Anhängerschaft, bei der Wahl am Sonntag ihr Kreuzchen beim Feld „keine Stimme“ zu machen. Somit ist unklar, ob überhaupt genügend Repräsentanten für die insgesamt 500 Parlamentssitze zusammenkommen. Das Parlament wäre damit nicht beschlussfähig.

Politische Beobachter gehen deshalb davon aus, dass die Wahlen in etlichen Bezirken wiederholt werden müssen. Letztendlich, so schrieb der Politikwissenschaftler Thitinan Pongsudhirak in der Bangkok Post, sei es wahrscheinlich, dass Thaksin nahe stehende Verfassungsrechtler entsprechende Schlupflöcher ausmachen werden, um doch noch ein Zustandekommen des Parlaments zu ermöglichen. Schon jetzt hat die Volksallianz für Demokratie (PAD) angekündigt, ihre Massenproteste auch nach den Wahlen vom Sonntag fortzusetzen.

Dieses Vorhaben wird die ohnehin schon bestehende Kluft zwischen Thaksins Anhängern und seinen Kritikern weiter vertiefen. Die Volksallianz, so der Sozialkritiker Thirayuth Boonmi, habe gute Arbeit geleistet, da sie zivile Proteste gegen Korruption und Machtmissbrauch initiiert habe. Jetzt aber müsse die PAD ihre künftigen Strategien überdenken. Statt der jetzigen täglichen Straßenproteste schlägt der Sozialkritiker gelegentliche, auf lange Sicht angelegte Massendemonstrationen vor. Auch plädiert er für verstärkte Maßnahmen des zivilen Ungehorsams, wie beispielsweise Generalstreiks.

Fatal wäre es, wenn die Volksallianz gegen Thaksin verlieren würde. Dies wird die Machtstrukturen auf lange Zeit unwiederbringlich verändern. Premier Thaksins populistischer Führungsstil und ein starkes Netzwerk in den Provinzen, so prophezeit Thirayuth Boonmi, könnten es der Partei Thais lieben Thais dann ermöglichen, für weitere 20 oder 30 Jahre an der Macht zu bleiben.