Zu gute Stimmung für zu wenig Jobs
: KOMMENTAR VON ULRIKE HERRMANN

Politik funktioniert ein wenig wie der Aktienmarkt. Nichts ist für die Akteure so interessant wie Trendaussagen – und davon gab es in dieser Woche mehrere. Sehr erfreut reagierte man auf den ifo-Geschäftsklimaindex, der einen neuen Höchststand erreicht hat. Nicht einmal im Boomjahr 2000 waren die Unternehmer so optimistisch. Kein Wunder, dass auch die Börsen auf neue Rekorde zustreben.

Irritierend ist allerdings, dass zu dieser Euphorie die neuen Arbeitsmarktdaten nicht passen. Saisonbereinigt stieg die Zahl der Arbeitslosen sogar – und niemand verspricht eine bessere Zukunft. Offensichtlich hat Arbeitsminister Müntefering aus dem Fehler seines Vorgängers Clement gelernt, der sich damit lächerlich gemacht hatte, monatlich eine Trendwende am Arbeitsmarkt zu erkennen.

Hochgefühle bei den Chefs und Stagnation bei den Jobs: Die Botschaft dieser Woche ist, dass das Wachstum nicht ausreicht, um Arbeitsplätze zu schaffen. Es wäre schon ein Erfolg, wenn die sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse nicht weiter schwinden. Im Vergleich zum Vorjahr gingen sie bislang um 166.000 zurück.

Dennoch wird der Optimismus der Unternehmer Folgen haben. Er dürfte sich auf jene Arbeitnehmer übertragen, die für einen Streik rüsten. Zu Recht sieht die IG Metall nicht ein, warum sie verzichten soll, wenn selbst die Chefs nicht mehr an ihr ewiges Lamento vom gefährdeten Standort Deutschland glauben.

Die gute Laune der Unternehmer hat die Verbraucher schon angesteckt, wie ein weiterer Trend der Woche zeigt. Die Konsumenten waren zuletzt vor fünf Jahren bereit, so große Anschaffungen zu tätigen. Diese allgemeine Zuversicht will die große Koalition unbedingt päppeln und setzt auf Stimmungspolitik: Sie hat beschlossen, Bauarbeitern im Winter Kurzarbeitergeld zu zahlen. Damit wird die Arbeitslosenzahl nächstes Jahr automatisch unter 5 Millionen bleiben.

Vielleicht geht das Kalkül sogar auf, durch diese magische Zahl vergessen zu lassen, dass zeitgleich die Mehrwertsteuer steigt. Zur momentanen grundlosen Euphorie jedenfalls würde es passen.

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