A Bounce for Bradford

Die Vorteile einer europäischen Städtepartnerschaft: Das Gustav Lübcke Museum in Hamm kann den britischen Malerstar David Hockney exclusiv im Zeitstrom seines künstlerischen Werdeganges zeigen

AUS HAMMPETER ORTMANN

Hinter einem schwarzen schweren Vorhang beginnt die visuelle Reise vom britischen Bradford nach Hollywood. Von der bläulich schimmernden Moorside Road in den knallroten Grand Canyon. Dort lebt der Künstler David Hockney (68) seit vier Jahrzehnten. Seine Portrait-Arbeiten werden gerade im Museum of Fine Arts in Boston gezeigt. In der aktuellen Ausstellung des Pariser Centre Pompidou („Los Angeles 1955-1985“) hängen jetzt ein paar seiner Bilder. Der schwarze Vorhang hängt im Gustav-Lübcke-Museum in Hamm. Dahinter rund 140 Arbeiten des britischen Künstlers. Warum?

Seit 30 Jahren besteht eine Städtepartnerschaft zwischen der Stadt an der Lippe und Hockneys Geburtsstadt Bradford. Eine Ausstellung lag also nahe und so fuhr Burkhard Richter, der stellvertretende Museumsleiter in die britische Ex-Woll-Metropole, aus der auch die Rockbands New Model Army und The Cult stammen. Dort hängen in der alten umgebauten Industriehalle Salts Mill Hockneys auf zwei Etagen, von seinen Anfängen in der heimischen Kunstschule bis zu Grafikserien, die noch nie gezeigt wurden. „Viele Museen sperren sich dagegen Radierungen neben Ölgemälde zu hängen“, sagt der Kurator Richter. In Bradfort habe er gesehen, dass es möglich sei. Viel Platz hat das städtische Museum in Hamm in seinem erst vor zehn Jahren eröffneten Neubau sowieso nicht. Also entschied er sich für eine gelunge Mischung, mit Hockneys künstlerischer Entwicklung als rotem Kunst-Faden. Eröffnet wird die Schau „David Hockney - New ways of seeing“ am Sonntag.

Rechts herum nach dem schon bekannten Vorhang beginnt ein didaktischer Rundweg, der zeigt dass der oft in die Pop-Art-Ecke abgeschobene Künstler eigentlich ein Meister der unterschiedlichen Kunst-Medien ist. Von Druckgrafik über Bühnenbilder zur Fotografie, von der Zeichnung zum monumentalen Ölgemälde, die Kostüme für Theateraufführungen in der Mailänder Scala und die Metropolitan Opera in New York. Als erstes sieht man die üblichen Jugendwerke aus den 1950ern. Heimische Landschaften, später Abstraktes. 1961 beginnt Hockney seine Homosexualität zu thematisieren, in so genannten „Love Paintings“ wie „Bertha alias Berni“ oder „For the Dear Love of Comrades“. Darin muss er das Schwulsein noch mit versteckten Botschaften outen, damals stand das in England noch unter Strafe. Der junge Künstler ging nach London an das berühmte Royal College of Art, dann nach Los Angeles, wo der Ehrendoktor der ehrwürdigen Londoner Royal Academy noch heute lebt – mit Blick auf den Grand Canyon.

Bereits Anfang der 1980er hat sich Hockney intensiv mit dem Verhältnis von Original und Reproduktion auseinandergesetzt, weshalb Richter in Hamm auch einige Poster von seinen kubistischen Fotoausstellungen aufhängte, in denen Hockney aus unzähligen Polaroids neue Bilder zusammenstellte.

Optischer Blickfang der Ausstellung, die seinen Werdegang bis zum Ende der neunziger Jahre thematisiert, ist das zwölfteilige, fast fünf Meter breite Bild „Le Plongeur“ (1978) aus Reihe der berühmten Swimmingpoolbilder, die auf selbst geschöpftem Papier entstanden. Auch drei, in Deutschland bisher noch nie gezeigt Pop-Art Arbeiten und zwei knallrote Grand-Canyon Werke erhöhen die mediale Attraktivität der Ausstellung. Kunst-Kenner dürften allerdings die Radier-Serie zu Grimms Märchen (1969) und die 13 homoerotischen Kupfertiefdrucke (1966) zu Gedichten von C.P. Cavafy zur Reise an die Lippe animieren.

2. April bis 2. Juli 2006Infos: 02381-175701