berliner szenen Der Autor im Salon

Objekte des Begehrens

Zur Feier von Nicolaus Sombart und einem neuen Buch von ihm haben Freunde in eine Privatwohnung im Bayerischen Viertel geladen. Da sitzt nun der 83-Jährige mit dem Ruf eines Salonlöwen im Berliner Zimmer und versinkt zart und schmal in seinem Nadelstreifenanzug. Mäzen Hubert Burda hält eine Rede, handverlesene Literaturredakteure grüßen den Autor mit „Meine Verehrung!“, und die großen Frauen, mit denen er sich schon immer gern umgeben hat, sind etwas älter geworden.

„Finden Sie nicht, Herr Sombart, dass Sie der Sexualität zu viel Bedeutung beimessen?“ Diese Frage, mit einer Mischung aus Selbstbegeisterung und Selbstironie aufgeschrieben von besagtem Herrn Sombart, fiel indessen auf einem Fest vor über 30 Jahren, im rumänischen Snagov. Das war 1972, Ceaușescu regierte, und in Bukarest fand der „Dritte Internationale Kongress für Zukunftsforschung“ statt, zum dem der damals knapp 50-jährige Sombart mit seiner Geliebten Isabelle reiste. Im Gepäck ein feuriges Referat über den Utopisten Charles Fourier, der das „Begehren“ als wahre revolutionäre Kraft entdeckt hatte, und im Kopf verklärte Erinnerungen an das idyllische Vorkriegsrumänien, aus dem seine Mutter kam.

Das Buch, das Sombart in den Siebzigern auf Französisch über diese „Rumänische Reise. Ins Land meiner Mutter“ schrieb, ist gerade im Transit-Verlag erschienen. Sombart hat es ins Deutsche zurückübersetzt und damit seinem autobiografischen Romanprojekt einen euphorischen vierten Teil hinzugefügt.

Auch heute noch wird er gelegentlich gefragt, ob er der Sexualität nicht zu viel Bedeutung beimisst. Viel interessanter wäre: Warum hört man eigentlich gar nichts mehr von den Zukunftsforschern? EVA BEHRENDT