Märchen von Prof. Johanna Hey

betr.: „Eine verkürzte Sicht von Gerechtigkeit“, taz vom 29. 3. 06

Es ist schon sehr dreist, wenn Frau Prof. Johanna Hey davon spricht, die „wissenschaftliche Evidenz“ beweise, dass die Unternehmenssteuern in Deutschland zu hoch seien. Sie hält es anscheinend für Wissenschaft, eine einfache Tabelle mit Steuersätzen lesen zu können und allein daraus zu schließen, welche Steuerpolitik richtig ist.

Hat Frau Hey noch nicht vernommen, dass etliche Großunternehmen bei uns gar keine Steuern mehr zahlen, weil sie sich geschickt arm rechnen? Die Behauptung, das in den Unternehmen verbleibende Kapital schaffe Arbeitsplätze, ist nichts weiter als ein Märchen. Die Evidenz beweist tagtäglich, dass es in großem Stil dazu eingesetzt wird, Arbeitsplätze zu vernichten.

Wer Estland mit Deutschland vergleicht, dem ist ohnehin nicht zu helfen. Die Esten können im Übrigen ihr aggressives Steuerdumping nur betreiben, weil sie genug Geld von der EU bekommen.

Das Argument, Großunternehmen schüfen ja schließlich Arbeitsplätze und sollten deswegen steuerfrei bleiben, schlägt dem Fass den Boden aus. Verdienen sie mit der Arbeitskraft ihrer Beschäftigten kein Geld? Diese Beschäftigten müssen zuerst ihr Einkommen versteuern. Wenn sie es ausgeben, zahlen sie uferlos die so genannte Mehrwertsteuer, und wenn sie es sparen, werden sie auch ein zweites Mal zur Kasse gebeten. Vielleicht sollte man einen Lehrstuhl für Arbeitnehmersteuerrecht einrichten. Aber da muss man in diesem längst von den Konzernen und ihren Propagandisten beherrschten Land wohl keine Angst haben. HEINRICH MÜLLER, Tegernheim