Bush im Herkunftsland der Gastarbeiter

Bei einem Gipfeltreffen in Cancún begrüßt Mexikos Präsident Vicente Fox die neuen Einwanderungsvorschläge George W. Bushs und des US-Senats. In beiden Ländern ist Wahlkampf, und auch in den USA sind mexikanische Stimmen wichtig

AUS MEXIKO-STADT WOLF-DIETER VOGEL

Sichere Grenzen, geregelte Einwanderung, bessere Handelsbeziehungen – die Ziele der Tagung der „Allianz für Sicherheit und Prosperität in Nordamerika“ (Aspan) waren hoch gesteckt. Zwei Tage lang trafen sich die Regierungschefs Mexikos, Kanadas und der USA im mexikanischen Cancún, um an einer gemeinsamen Wirtschafts- und Sicherheitspolitik zu arbeiten. Im Vordergrund stand jedoch das Thema Migration.

Schließlich hatte eine US-Senatskommission am Montag einen Entwurf vorgelegt, der auf eine Liberalisierung der Einwanderungspolitik hinauslaufen könnte. „Ich bin sehr optimistisch, dass wir ein Gesetzesprojekt erreichen werden“, sagte US-Präsident George W. Bush am Donnerstag seinem mexikanischen Kollegen Vicente Fox in Cancún. Er gab damit dem von der Senatskommission ins Spiel gebrachten Entwurf Rückendeckung. „Man kann keine Grenze sichern, wenn man nicht zugleich ein Gastarbeiterprogramm hat“, erklärte Bush.

Der Vorschlag sieht also beides vor: liberalere Einwanderungsregelungen – wenngleich mit „Gastarbeiterstatus“ und geplanter Rückkehr – und eine Verdopplung der Patrouillen an der US-amerikanisch-mexikanischen Grenze auf etwa 22.000 Beamte. Die rund zwölf Millionen illegal in den USA lebenden Einwanderer sollen einen rechtlichen Aufenthaltsstatus und 1,5 Millionen landwirtschaftliche Arbeiter eine Arbeitserlaubnis bekommen. Zudem soll jährlich 400.000 Arbeitsmigranten ein für drei Jahre gültiges Visa ausgestellt werden. Ob die Vorschläge den Senat passieren, ist noch offen. Zwar hat der Entwurf die Unterstützung des US-Präsidenten, doch der rechte Flügel der Republikaner läuft seit Tagen gegen das Vorhaben Sturm.

„Der Reformvorschlag ist ein Ergebnis der Mobilisierung der Migranten in den USA“, erklärt Maricarmen Ramírez von der NGO Comunidades y Ejidos Municipalistas. Sie verweist auf die Demonstrationen der letzten Tage, bei denen Hunderttausende gegen schärfere Einwanderungsbeschränkungen auf die Straße gegangen sind. Andere mexikanische Migrantenorganisationen forderten Präsident Fox umgehend auf, die Resolution der Senatskommission nicht als seinen Erfolg zu verkaufen.

Tatsächlich war Fox bemüht, die neue Entwicklung auf sein Konto zu verbuchen. „Ich finde es gut, dass wir vorankommen“, reagierte der Staatschef auf den Senatsentwurf. Für Fox und dessen konservativliberale Partei der Nationalen Aktion (PAN) könnte ein Fortschritt in der US-Einwanderungspolitik nicht günstiger kommen. Seine Amtszeit läuft im Dezember aus, und in drei Monaten wird in Mexiko ein neuer Präsident gewählt.

Wer gewinnen will, muss für die Ausgewanderten Stellung beziehen. Schließlich leben schätzungsweise 25 Millionen Mexikaner in den USA, mindestens 6 Millionen von ihnen ohne legalen Aufenthaltsstatus. Viele Familien haben ihre Angehörigen nördlich der Grenze, deren Geldüberweisungen sind die zweitgrößte Devisenquelle des Landes.

Fox hatte nach seiner Amtsübernahme vor sechs Jahren erklärt, er werde mit der US-Regierung eine rechtliche Grundlage für die illegal lebenden Migranten aushandeln und sich für eine Öffnung des US-Arbeitsmarkts für mexikanische Arbeiter einsetzen. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 endeten jedoch alle Versuche, mit dem US-Präsidenten über Einwanderungserleicherungen zu verhandeln. Jede Debatte fand nur noch unter dem Aspekt der Terrorismusbekämpfung statt. Die Gesprächsgrundlage verschlechterte sich zudem, nachdem Mexiko den USA im UN-Sicherheitsrat die Zustimmung zum Irakkrieg versagte.

Erst auf den geplanten Bau des 1.100-Kilometer-Schutzwalls reagierte Fox wieder offensiver: „Das ist eine Schande und eines demokratischen Landes unwürdig.“ Selbst konservative Kommentatoren kritisierten damals den Gesetzentwurf als rassistisch. Sollten nun tatsächlich einige der im US-Senat diskutierten Gegenvorschläge Wirklichkeit werden, wird der Fox-Parteifreund und PAN-Präsidentschaftskandidat Felipe Calderón wichtige Punkte sammeln können.

Auf dem Aspan-Treffen, das gestern zu Ende ging, einigte sich Fox zudem mit seinem kanadischen Kollegen Stephen Harper auf eine verstärkte Zusammenarbeit in der Sicherheitspolitik. Bush versprach er, man wolle eine „sichere Grenze, und zwar genauso für unsere Mitbürger wie auch im Interesse unserer Beziehung zu den USA“.