: Ein globaler Denker geht
Klaus Töpfer ist ein Umweltbewegter im besten Sinne. Kaum einer hat den Naturschutz den Menschen so nahe gebracht. Heute tritt er als Exekutivdirektor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen ab. Eine Eloge auf einen alten Gegner
VON JÜRGEN TRITTIN
Will man Klaus Töpfer ärgern, muss man die Geschichte vom Rhein und vom Taucheranzug erzählen. Ich will Klaus Töpfer nicht ärgern – sondern loben. Dabei hat er mich und viele andere Grüne in den 90er-Jahren schwer geärgert. Trotz Tschernobyl hat er unsere Versuche, AKWs wie Biblis oder Stade wegen ihrer technischen Mängel stillzulegen, immer wieder durchkreuzt. Mit gekonnt inszenierten bundesaufsichtlichen Gesprächen hat er der Öffentlichkeit gezeigt, was die (rot-grünen) Länder bei der Atomaufsicht zu sagen haben – nämlich nichts – und was der (schwarz-gelbe) Bund zu sagen hat – nämlich alles.
Wir haben davon gelernt. Als ich Bundesumweltminister war, haben wir die Länder gezwungen, Anlagen wie Biblis und Brunsbüttel bei technischen Mängeln abzuschalten. Aber wir haben durch die Auseinandersetzung mit Klaus Töpfer gelernt, dass man so nicht aus der Atomenergie aussteigen kann. Sondern nur durch eine gesetzliche Befristung von Laufzeiten. Dadurch sind heute 3 der 20 Atomanlagen aus Töpfers Zeiten vom Netz, 4 weitere stehen bis 2009 zur Stilllegung an.
Klaus Töpfer hat in dieser Kontroverse auch gelernt. Das CDU-Mitglied erklärt am Vorabend des Energiegipfels bei Frau Merkel in der Zeit: „Die gegenwärtig Strom produzierenden Kernkraftwerke in einem vereinbarten Zeitplan abzuschalten halte ich für sehr sinnvoll.“ Heute scheidet Töpfer aus dem Amt des Exekutivdirektors des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (Unep). Acht Jahre war er der ranghöchste Deutsche bei den Vereinten Nationen. Wir werden Klaus Töpfer vermissen. Er hat den Vereinten Nationen ein Gesicht gegeben.
Der hoch gelobte Preisträger – vom Deutschen Umweltpreis bis zum Bundesverdienstkreuz – hat von Anfang an Umweltpolitik global gedacht und gestaltet. Er tat das auf eine besondere Weise. Er kann zwar aufs trefflichste in seinem ureigenen Englisch dozieren. Er hat aber die Gabe gepflegt, den Menschen Umwelt begreifbar zu machen. Begreifbar im wörtlichen Sinn. Wenn heute in Deutschland das Trennen von Müll selbstverständlich ist, dann geht dies auf sein Kreislaufwirtschaftsgesetz zurück. Die Menschen wollen ihren Teil zum Erhalt der Umwelt beitragen. Schon lange wird Deutschland dafür nicht mehr belächelt – in Frankreich, in Belgien geht man zu ähnlichen Systemen über. Japan veranstaltete im letzten Jahr eine weltweite Konferenz zum Thema der 3R: reduce, reuse, recycle. Das rohstoffhungrige China schaut auf – auch dank Töpfer – hohe deutsche Recyclingraten von 90 Prozent bei Metallen und Papier und über 50 Prozent bei Kunststoffen.
Klaus Töpfer hat früh erkannt, dass Umweltpolitik nicht nur ein Exportschlager werden könnte. Er hat den Rahmen für eine globale Umweltpolitik entscheidend mitgestaltet – von der Klimarahmenkonvention bis zur Konvention über die biologische Vielfalt, die sich dieser Tage in Brasilien zum 8. Mal trifft.
Klaus Töpfer hat Umweltpolitik nie im Gegensatz zur Entwicklungspolitik gesehen. Umwelt ist eine Voraussetzung für Entwicklung. Heute leben 1,5 Milliarden Menschen in absoluter Armut. Sie werden diese nicht überwinden können ohne Zugang zu sauberem Wasser und moderner Energie. Deshalb wird Umweltpolitik heute gerade in den Entwicklungsländern eingefordert.
Dass sie dies mit Sachkunde und Nachdruck tun können, daran hat Klaus Töpfer seinen Anteil. Ein Großteil der Arbeit seiner Unep bestand in der Vernetzung und dem capacity building gerade in Entwicklungsländern. Wer ihn nur als globalen Vielflieger zu kennen meint, vergisst, mit welchen Anstrengungen er den einzigen Standort der vereinten Nationen in der Dritten Welt, den Sitz von Unep und Habitat, in Nairobi gestärkt hat.
Klaus Töpfer ist unangenehmen Wahrheit und Konflikten nicht ausgewichen. Er hat die Umweltschäden des ersten Golfkrieges und des Kosovokrieges erheben lassen und darauf beharrt, dass die Menschen in den Industriestaaten ihre Konsummuster zu ändern haben.
Heute endet seine Amtszeit. Bitter für den passionierten Biertrinker, dass dies ausgerechnet in seine vorösterliche Fastenzeit fällt. Ich hebe also ein Glas alkoholfreies Bier auf Sie, lieber Klaus Töpfer, und weiß: Sie scheiden aus dem Amt. Sie schauen mal kurz zu Hause in Höxter vorbei. Und doch werde ich Sie wohl eher in China wiedertreffen. Weiter so: Global denken – global handeln.
Der Autor war von 1998 bis 2005 Bundesumweltminister