Alleskönner für lau

Nur 9 Prozent der festen Anstellungen in Frankreich kommen auf dem Weg über ein Praktikum zustande

PARIS taz ■ „Sie sind kreativ, sorgfältig, unabhängig und gewöhnt, autonom zu arbeiten. Kommen Sie zu uns: Recherchieren und schreiben Sie.“ Die Annonce ist ein Arbeitsangebot. Der „Beginn des Einsatzes“ ist festgelegt: April. Bloß die Spalte „Lohn“ ist anders. Dort steht das Stichwort: keiner. Der „Rédacteur“, der gesucht wird, soll gratis arbeiten. Gewünscht wird ein „Praktikant“.

Die Jobbörse „bale.fr“ ist eine von Dutzenden von Arbeitsvermittlungen im Internet. Neben bezahlten Stellen bieten sie zunehmend Praktika an. Ende März gab es insgesamt 29 Praktika für ausgebildete Journalisten. Für einige gibt es Aufwandsentschädigungen. Maximum: 300 Euro pro Monat plus Essensmarken. Bezahlte Stellen für Journalisten gibt es nur sechs.

Rund 800.000 Berufspraktika werden jedes Jahr in Frankreich absolviert. Die Zahl steigt ständig. Die Wochenzeitung Express ermittelte im Januar, dass die 100 größten französischen Arbeitgeber in diesem Jahr rund 38.000 Praktikanten engagieren wollen, die jeweils länger als drei Monate für den Betrieb tätig sein werden. In den Personalabteilungen kümmern sich Leute allein um die Praktikantenauswahl. Praktikanten in Frankreich müssen Studenten und als solche sozialversichert sein. Zu ihrer Entlohnung sind die Unternehmen nicht verpflichtet. Solange sie ihren Praktikanten weniger als ein Drittel des gesetzlich festgelegten Mindestlohns zahlen – gegenwärtig rund 350 Euro –, werden keine Sozialabgaben fällig.

Diese Situation zu verbessern, hat sich die Initiative „Génération Précaire“ auf die Fahnen geschrieben. Zwar lehnt sie Praktika nicht ab, doch kämpft sie gegen ihren Missbrauch und verlangt ein Statut für Praktikanten, das ins Arbeitsrecht integriert wird. Sie wollen, dass Praktika auf maximal sechs Monate befristet und bezahlt werden. Und dass kein Unternehmen mehr als 10 Prozent Praktikanten in seiner Belegschaft haben darf. Mindestens 60.000 neue Arbeitsplätze würden in Frankreich entstehen, wenn Arbeitsinspektoren den Missbrauch von Praktika kontrollieren könnten, schätzt die Organisation. Bislang kommen nur 9 Prozent der Festanstellungen auf dem Weg über ein Praktikum zustande.

DOROTHEA HAHN