Erwartungen wie im richtigen Job

Wer glaubt, als Student bei einem Praktikum in den USA in die Arbeitswelt nur reinzuschnuppern, ist auf dem Holzweg. 38 Prozent der Praktika führen zur festen Stelle

NEW YORK taz ■ Als die Designstudentin Katya Black das Sommerpraktikum bei Gensler in New York bekam, wusste sie, dass sie es geschafft hatte. Die ersten drei Sommer ihres vierjährigen Studiums hatte sie kostenlos in kleinen Designfirmen Kaffee gekocht und kopiert, und wenn sie Glück hatte, durfte sie bei den Sitzungen dabei sein. Doch jetzt war alles anders.

Um das Praktikum bei Gensler – der größten Architekturfirma der USA – zu bekommen, musste Katya eigene Projektideen vorschlagen und präsentieren. Außerdem musste sie in mehreren Interviews ihre „technischen und interpersonellen“ Fähigkeiten nachweisen – wie es der Direktor des Praktikumprogramms bei Gensler, David Broz, ausdrückt. Dafür war das Praktikum bezahlt. Und es führte direkt zu einem gut bezahlten, interessanten Einstiegsjob.

Die Zeiten, in denen man im Praktikum ein wenig in die Arbeitswelt reinschnupperte, um sich zu überlegen, was man einmal machen will, sind in den USA schon lange vorbei. 38 Prozent der Berufspraktika für amerikanische Studenten führen zu einer Festanstellung, und das wissen sowohl die Praktikanten, als auch die Arbeitgeber. Der Karriereeinstieg ist einen Schritt vorverlegt – die Praktikumssuche in den USA ist Ernstfall.

Entsprechend schwierig ist es, bei einer angesehenen Firma den Fuß in die Tür zu kriegen. Die Boston Consulting Group führt mit Praktikumskandidaten je fünf Gespräche; bei General Motors muss der Student unter Zeitdruck einen Computertest absolvieren, der philosophische Disziplinen wie Logik und Ethik beinhaltet; bei Proctor & Gamble müssen Bewerber Vorstandsmitglieder von eigenen unternehmerischen Ideen überzeugen.

Die glücklichen 10 Prozent der Bewerber, die ein solches „A-List“-Praktikum bekommen, werden dann jedoch von Anfang an gefordert und in den Arbeitsprozess integriert. „Die Praktikanten arbeiten bei uns zur Hälfte an den Projekten unseres Hauses mit. Zur anderen Hälfte betreiben sie eigenständige Forschung, die unserem Haus zugute kommt“, erklärt etwa David Broz das Konzept von Gensler. Kaffeekochen und Computerspiele gibt es nicht.

Der Weg zu einem solchen „A-List“-Praktikum führt über andere Praktika – man braucht paradoxerweise Berufserfahrung. Über das erste Praktikum kommt man zum nächsten –- ein Praktikum pro Studium reicht schon lange nicht mehr aus. „Ich hatte nach meinem zweiten Semester ein unbezahltes Praktikum bei einer politischen Lobbyfirma“, sagt etwa Adrienne Sugget, die jetzt ein bezahltes Praktikum bei der großen Public Relations Firma Ron Sachs absolviert. „Der Präsident der ersten Firma hat mir den Kontakt zu meiner jetzigen Stelle vermittelt, sonst wäre ich jetzt nicht hier.“

Wer das nötige Kleingeld besitzt, findet freilich auch Abkürzungen zum A-Praktikum. Die Firma „University of Dreams“ etwa vermittelt für 6.000 bis 7.000 Dollar Stellen bei Konzernen wie der Investmentfirma Merrill Lynch oder dem Medienkonzern Fox. Eine Investition, die sich im harten Stellenwettbewerb jedoch lohnt. Wem diese Summen nicht zur Verfügung stehen, hat es indes schwer mit dem Karrierestart. „Wenn ich im Sommer hätte Geld verdienen müssen“, sagt Katya Black über ihre ersten Praktika, „hätte ich keine Chance gehabt.“

SEBASTIAN MOLL