Dauerpraktika selten

Der Berufseinstieg für Studierte war immer mühsam – nur die Umstände haben sich verändert

VON BARBARA DRIBBUSCH
UND SARAH STEFFEN

In den 80er-Jahren geisterten sie durch die Presse, die Diplomsoziologen, die angeblich dutzendweise Taxi fuhren. Am heutigen Tag nun demonstrieren Jungakademiker mit weißen Masken gegen ihre Ausbeutung als Dauerpraktikanten. Doch „die Entwicklung ist nicht ganz so düster, wie das im Moment öffentlich dargestellt wird“, sagt Karl-Heinz Minks, Leiter des Bereichs Absolventenforschung am Hochschul-Informations-System (HIS) in Hannover. Der Berufseinstieg war schon immer heikel – nur die Art und Weise, wie er vonstatten geht, hat sich verändert.

Nur etwa ein Viertel der Jungakademiker absolviert nach dem Abschluss ein Praktikum (siehe Kasten). „Die meisten hängen danach nicht noch ein zweites dran“, schildert Minks. Nur in Einzelfällen landeten die Leute in „Praktikantenschleifen“, wo sich eine Hospitanz an die andere anschließt. In bestimmten Branchen, etwa dem Medienbereich, sind solche Existenzen als „Dauerpraktikanten“ allerdings besonders häufig, was erklärt, warum die „Generation Praktikum“ in der Presse ausführlich beschrieben wird.

Dennoch hat Minks beobachtet, dass die Zahl der Praktika nach einem Abschluss in den vergangenen Jahren zugenommen hat, nicht nur bei den Geistes- und Kulturwissenschaftlern. Im Rahmen einer Erhebung befragten die HIS-Forscher Jungakademiker der Absolventenjahrgänge 2002 und 2003 mit einem wirtschaftswissenschaftlichen Diplom. Jeder Sechste von ihnen hatte nach dem Abschluss noch ein Praktikum gemacht. „Für Betriebswirte ist das neu“, berichtet Minks.

Oftmals werden PraktikantInnen „in Feldern beschäftigt, in denen sonst voll bezahlte Akademiker tätig sind“, schildert Minks. Dies bedeutet allerdings auch, dass Diplomanden und Magister von heute in der Praxis schon relativ gut einsetzbar sind. „Schon die Nebenjobs während der Studienzeit werden heute möglichst berufsnah ausgewählt“, sagt Minks. Während früher viele StudentInnen als Tresenkraft oder als Taxifahrer ackerten, können sich Jungakademiker heute zum Beispiel mit ihren EDV-Kenntnissen bereits in ihrer Hochschulzeit berufsnäher etwas hinzuverdienen. Die Hälfte der studentischen Nebenjobber arbeitet in fachnahen Bereichen.

Die noch in den 80er-Jahren oft beklagte „ausbildungsinadäquate“ Beschäftigung von Akademikern habe „nicht zugenommen“, erklärt Franziska Schreyer, Arbeitsmarktexpertin beim IAB-Institut in Nürnberg. Doch gerade weil sich die Studenten heute marktnäher verhalten und weniger ins Blaue hinein studieren, stauen sich die Praktikanten. „Das nutzen Unternehmen schon aus und zahlen dann für eine qualifizierte Tätigkeit mit Projektarbeit und Datenverarbeitung mitunter nur 500 Euro im Monat“, so Minks. Etwa die Hälfte der Praktika sind sogar unbezahlt, ergab eine Absolventenstudie der Freien Universität Berlin.

Die Unsicherheit der Jungakademiker betrifft aber nicht nur die Praktika. Der Berufseinstieg für Universitätsabsolventen „ist zunehmend prekärer geworden“, schildert Bernhard Nink, Berater im Hochschulteam der Arbeitsagentur Köln. Viele Absolventen bekämen nur noch befristete oder Honorarverträge, nicht wenige arbeiteten gezwungenermaßen als Selbstständige. Mink: „Die prekäre Situation zum Berufseinstieg spiegelt damit letztlich die Entwicklung auf dem gesamten Arbeitsmarkt.“

In Berlin treffen sich die Praktikanten heute um 12 Uhr am Pariser Platz vor dem Brandenburger Tor, in Dresden sammeln sie sich um 11 Uhr auf der Prager Straße Nähe Wöhrl, in Stuttgart protestieren sie um 11 Uhr, Treffpunkt ist die Ecke Kronprinz-/Buechsenstraße. In Paris und Wien wird gleichfalls demonstriert. Erkennungszeichen der Aktion sind weiße Masken. www.studentsatwork.org www.generation-p.org www.fairwork-verein.de