Atomkraftwerk hinter Gitter

Stahlbetonpfeiler, so ein Gutachten, sollen das AKW Brunsbüttel vor Terrorangriffen mit Flugzeugen schützen. Dann wäre auch seine Stilllegung hinfällig

Stahlseile sollen zusätzlich verhindern, dass ein Flugzeug einschlägt

VON HANNES KOCH
UND NICK REIMER

Die Strategie der Energiekonzerne, ihre alten Atomkraftwerke am Netz zu halten, treibt merkwürdige Blüten. Mit einem riesigen Käfig aus Stahlbetonpfeilern könnte das Atomkraftwerk Brunsbüttel an der Elbe umbaut werden, um es gegen Terrorangriffe mit Flugzeugen zu schützen. Zu diesem Ergebnis kommt nach Informationen der taz das Karlsruher Ingenieurbüro Eibl & Partner in einem Gutachten, das die schleswig-holsteinische Landesregierung in Auftrag gegeben hatte.

Die Schutzpfeiler sollen das 60 Meter hohe Atomkraftwerk beträchtlich überragen. In einem Abstand von 10 bis 15 Metern würden sie rund um die Anlage aufgebaut. Da Stahlbeton eine gewisse Flexibilität besitzt, würde eine anfliegende Passagiermaschine abgebremst und weniger Schaden anrichten. Stahlseile, die die Masten verbinden, sollen zusätzlich verhindern, dass ein Flugzeug einschlägt.

Nach dem Regierungswechsel in Kiel hatte die neue Gesundheitsministerin Gitta Trauernicht (SPD) das alte Sicherheitskonzept für Brunsbüttel prüfen lassen – und den Bauingenieur Prof. Josef Eibl mit einer Fortentwicklung betraut. Eibl ist Spezialist für baulichen Schutz gegen Terrorismus und war 16 Jahre Mitglied der Reaktorsicherheitskommission der Bundesregierung.

Zum Inhalt seiner Käfigstudie für Brunsbüttel wollte Eibl gestern nichts sagen. Er habe unterschrieben, die Angelegenheit als „Verschlusssache“ zu behandeln, sagte der Gutachter. Das schleswig-holsteinische Gesundheits- und Sozialministerium, das für die Reaktorsicherheit in dem nördlichen Bundesland zuständig ist, nahm mit dem Verweis auf „Geheimhaltung“ ebenfalls keine Stellung. Trauernichts Mitarbeiter schreiben freilich in der bislang unveröffentlichten Antwort auf eine Anfrage des grünen Landtagsabgeordneten Klaus Müller, dass „Maßnahmen zum Schutz gegen terroristische Bedrohungen auch unter Einbeziehung externen Sachverstands verfolgt“ würden.

Die hohen Masten aus Stahlbeton rund um das Atomkraftwerk Brunsbüttel könnten großen Flugzeugen durchaus etwas anhaben, sagt Christian Küppers vom atomkritischen Öko-Institut. Bei entsprechender Stärke und Verankerung würden möglicherweise die Tragflächen und Turbinen der anfliegenden Maschine abgerissen, sodass diese nicht mit voller Kraft in das Kraftwerk stürzen. Gleichzeitig weist Küppers darauf hin, dass die Masten nur bei „einem kleinen Spektrum möglicher Angriffe“ helfen würden. Teile eines großen Flugzeugs oder kleinere Flugkörper könnten den Zaun aus Stahlmasten durchdringen. Brunsbüttel ist nach Biblis A das zweitälteste noch laufende Atomkraft Deutschlands, das zugleich die dünnste Außenhaut aufweist.

Die schleswig-holsteinische Landesregierung hat das Gutachten in Auftrag gegeben, weil das Unternehmen Vattenfall, das Brunsbüttel betreibt, die Anlage nicht stilllegen will. Nach der Ausstiegsvereinbarung zwischen rot-grüner Bundesregierung und Energiewirtschaft aus dem Jahr 2000 soll Brunsbüttel eigentlich am Ende dieser Legislaturperiode abgeschaltet werden. Als Voraussetzung für den Weiterbetrieb über 2009 hinaus will die große Koalition in Kiel nun wissen, wie das AKW besser gegen Terror geschützt werden kann.

Nach den Terroranschlägen am 11. Dezember war für deutsche Atomkraftwerke ein so genanntes Nebelsicherheitskonzept entwickelt worden. Die Kraftwerke sollen hinter Nebelwänden verschwinden, damit Terrorpiloten sie aus dem Cockpit nicht sehen können. Zusätzlich wollte man die GPS-Orientierungstechnik der Flugzeuge verwirren. Die Amerikaner haben dies schon im Balkankrieg erfolgreich praktiziert.

Experten bezweifeln allerdings, dass dies auch praktikabel und erfolgreich ist: Wenn beispielsweise kurz nach dem Start in Frankfurt am Main ein Flugzeug gekapert und auf das AKW Biblis A zugesteuert wird, bleiben nur ein paar Minuten, möglicherweise viel zu wenig Zeit, um die Nebelmaschinen anzuwerfen und das GPS zu manipulieren. Die Hoheit für den Eingriff ins GPS-System liegt in den USA.

Das Atomkraftwerk Brunsbüttel mit einem Riesenzaun gegen Terrorismus zu sichern sei nicht sinnvoll, erklärte gestern Konrad Nabel, der umweltpolitische Sprecher der SPD im Kieler Landtag: „Sinnvoll ist nur die Stilllegung“.