„Die Künstler lieben dieses Kito“

Hermann Krauß, Ex-Syndikus der Handelskammer und Geburtshelfer des Kulturzentrums Kito, über Freiheit, Kostendeckung und das „Kulturkonzept“ für Bremen-Nord: „Ich lach‘ mich kaputt“

Hermann Krauß war vor 18 Jahren Syndikus bei der Handelskammer und konnte in dieser Funktion die Fäden ziehen für die Rettung des „Alten Packhauses“ in Vegesack – und dessen kulturelle Nutzung. Das war die Geburtsstunde des Kito. Krauß hat sich seitdem penetrant für ein kulturell anspruchsvolles, über Vegesack hinaus ausstrahlendes Programm eingesetzt. Voller Zorn blickt er auf das, was der Kultursenator neuerdings als „Kulturkonzept“ für Bremen-Nord bezeichnet.

taz: Es gibt ein neues Kulturkonzept für Bremen-Nord. Und dem Geschäftsführer des Kito, Stefan Linke, ist die Kündigung avisiert worden.

Hermann Krauß: Schon vor zwei Jahren war die stehende Redewendung von Frau Motschmann: Und Linke muss weg. Linke ist eine Reizfigur für die Verwaltung. Wobei Stefan Linke das Herz des Kito ist.

Was hat die Kulturverwaltung gegen das Herz des Kito?

Das Kito war nicht zu domestizieren. Das Kito steht für die Freiheit der Kunst und die Freiheit von Denken. Die Verwaltung hat gesagt: Wir bezahlen das doch, dann können wir uns doch nicht gefallen lassen, dass da Leute wie Heiner Geissler und neuerdings Gregor Gysi auftauchen.

Die CDU findet das nicht gut?

Das hat sie noch nie gut gefunden. Wie haben bei der Kulturhauptstadt-Bewerbung vorgeschlagen, das Thema Türkei und Islam aufzugreifen. Das passte denen nicht. Zuletzt war Friedman da, der hat gesagt: Was ist das ein schöner Platz der Streitkultur.

Friedman war zu teuer, sagt die Kulturbehörde.

Stimmt, Friedman war teuer. Das ist nun mal Künstlerpech. Wir haben bei Friedman mit viel größeren Besucherzahlen gerechnet. Wir haben immer genau auf den Cent geguckt, aber wir haben auch gesagt: Es gibt Dinge, die müssen wir uns leisten. Wenn wir uns die nicht leisten, haben wir nicht die Mischung, die den Ort spannend macht. Das gehört zur Freiheit dieses Hauses dazu. Natürlich ist es nicht kostendeckend, wenn wir die Kammerphilharmonie einladen. Aber das müssen wir uns leisten. Die machen bei uns die Musik, die sie in den großen Sälen nicht spielen.

Der Techniker des Kito hat am Freitag schon vom Vorsitzenden des Kito-Vereins Altes Packhaus seine Entlassung ausgehändigt bekommen. Der Kultursenator hat erklärt, damit habe er nichts zu tun, der Trägerverein handele vollkommen eigenverantwortlich. Der Vorgang beweise die Eigenständigkeit der ehrenamtlichen Strukturen in Bremen-Nord.

Dazu hat der Vorsitzende des Kito-Trägervereins am vergangenen Sonntag erklärt, der Senator habe die Entlassung der beiden Leute gefordert, denn sonst gäbe es keine Möglichkeit, die Insolvenz des Vereins abzuwenden.

Der Kultursenator hat erklärt, er wolle die ehrenamtlichen Vereine stärken und die sollten das Profil der Spielstätten prägen.

Ich lach‘ mich kaputt. Es hat in den vergangenen zehn Jahren nicht ein einziges Gespräche gegeben über die Frage, welche Kultur wir hier machen wollen. Ich habe in dem so genannten Kulturkonzept gelesen, dass das Kito auch zu einer Vermietungshalle werden soll – davon hätten wir dann drei oder vier in Bremen-Nord. Die Künstler, die wir hier ins Kito holen, die brauchen Vegesack doch nicht. Die kommen, weil sie diesen Saal mögen, wo sie mitten im Publikum sitzen. Die Künstler lieben doch dieses Kito, und das hat auch damit zu tun, wie ein Stefan Linke die Kontakte zu ihnen hält.

Ich weiß, mit welcher Begeisterung Leute wie Deutschmann und Hildebrand sich mit Stefan Linke die Nächte um die Ohren schlagen und sich gut betreut fühlen. Dass man das bürokratisch verwalten und organisieren kann – das kann nur sagen, wer keine Ahnung hat.

Interview: Klaus Wolschner