Erloschene Wunderkerzen

Die Handballer vom SG Flensburg-Handewitt verlieren in der Champions-League mit 27:29 gegen Ciudad Real und verpassen damit den Einzug ins Finale. Schuld war der gerissene Geduldsfaden

aus Flensburg Christina Stefanescu

Es sind Tage wie dieser, an denen irgendwie alles schief gehen muss. Die gut beginnen und miserabel enden. Dabei sollte dieser Samstag in Flensburg eigentlich ein ganz besonderer werden: Die Handballer der SG Flensburg-Handewitt trafen im Halbfinalrückspiel der Champions League auf Ciudad Real. Es ging um den Einzug ins Champions-League-Finale, trotz eines Neun-Tore-Rückstands aus dem Hinspiel vor einer Woche.

Wo und wann sollte das klappen, wenn nicht hier in der Campushalle, vor 6.500 beim Einlauf der Mannschaft frenetisch jubelnden Fans? Diese nämlich waren bestens gerüstet: mit vollen Stimmen, lauten Tröten, einer gehörigen Portion Optimismus und Wunderkerzen fürs Wunder von Flensburg. Doch aus den Boxen schallte, als das Licht bereits gedimmt war und blaue Spots durch die Halle kreisten: „Bitte keine Wunderkerzen beim Einlaufen unserer Mannschaft anmachen. Bitte keine Wunderkerzen.“ Ein schlechtes Omen. Dann eben nur Jubel – zumindest für die nächsten 25 Minuten.

Eben jene 25 Minuten, in denen die Flensburger so spielen, wie eine Mannschaft spielen muss, die trotz eines vermasselten Hinspiels noch ins Finale der Champions League einziehen will: Mit einem Torwart Jan Holpert, dessen Kreuz dank der Fans in seinem Rücken doppelt so breit zu sein schien wie sonst. Ein Jan Holpert, der den frei werfenden Olafur Stefansson scheitern lässt (3.) und einen Siebenmeter von Mirza Dzomba pariert (6.). 3:1 führt die SG Flensburg-Handewitt da. Doch nicht allein Jan Holpert kämpft für das Wunder. Die SG macht Tempo. Rechtsaußen Lars Christiansen spitzelt Ciudads Torwart Arpad Sterbik den Ball durch die Beine – 6:3 für den Gastgeber (12.). Nach 18 Minuten steht es 9:5 und die Halle kopf.

Doch dann nimmt die Nervosität Überhand. Es sind Minuten, in denen der Vorsprung schrumpft, weil der Gegner seine Chancen besser nutzt als der Gastgeber. „Wir hätten zur Halbzeit mit sieben oder acht Toren führen können“, sagte Thorsten Storm nach dem Spiel. Und Mannschaftskapitän Sören Stryger: „Wir haben dumme Fehler gemacht.“ Statt mit sieben oder acht Toren führt die SG zur Halbzeit mit zweien (14:12).

Was nach dem Wiederanpfiff passiert, konnte sich kaum einer so recht erklären. Flensburgs Trainer Kent-Harry Andersson machte einen Versuch: „Wir haben nach der Pause die Geduld verloren. Das lag an der Enttäuschung über die vergebenen Chancen voher.“

Alberto Enterríos jedenfalls machte in den ersten vier Minuten drei Tore in Folge, die SG keines. Statt zu kämpfen, wie von den Fans bis zum Ende des Spiels immer wieder lautstark gefordert, gaben die Flensburger Spieler auf. „Wenn du mit zwei Toren hinten liegst, ist es vorbei“, sagte SG-Kapitän Stryger nach dem Spiel. In der 45. Minute waren es gar fünf Tore. Bitter für den Tabellendritten der Bundesliga. Dass die SG Flensburg-Handewitt schließlich nur mit 27:29 verlor, war allein der Lässigkeit der Mannschaft von Talant Dushebajew zu verdanken.

„Um auf diesem Niveau mithalten zu können, müssen wir unseren Kader verstärken“, sagte Manager Storm nach dem Spiel. Aber auch, und das mag trösten: „Wir haben hier gegen den Champions-League-Sieger verloren.“ Das wird sich zeigen. Ciudad Real wird sein Bestes tun, im rein spanischen Finale gegen Portland San Antonio.