In der Hitze Curaçaos

Radeln am Mambo-Strand: Zum Auftakt der Weltcupserie wird Mountainbikerin Sabine Spitz Zweite – grippegeschwächt. Die Strapazen hat sie auf sich genommen, damit sie in der ersten Reihe bleibt

VON THOMAS BECKER

Es war heiß auf Curaçao. Sehr heiß. Extreme Bedingungen herrschten für die Mountainbiker, die ihre Weltcupserie auf der Antilleninsel am Mambo-Strand starteten. Mit dabei: die deutsche Meisterin Sabine Spitz aus Murg-Niederhof. Obwohl sie von einem Magen-Darm-Virus geschwächt ins Rennen gegangen war, wurde sie am Samstag Zweite – hinter Olympiasiegerin Gunn-Rita Dahle aus Norwegen. Spitz kam anderthalb Minuten hinter der Weltmeisterin ins Ziel. Cross-Vizeweltmeisterin Hanka Kupfernagel belegte bei ihrem ersten Mountainbike-Wettbewerb seit acht Jahren Rang elf.

Die winzige Karibikinsel vor der Küste Venezuelas ist weithin bekannt als Namensgeber eines blauen Cocktailmixgetränks sowie für ihre savannenähnliche Vegetation. Weniger bis gar nicht kennt man die Insel als Mountainbike-Mekka, als Treffpunkt der Ausdauer- und Geschicklichkeitskönner. Wie auch? Die Bergwelt ist im Wortsinn eher überschaubar (höchster Gipfel: Mount Scenery, 862 Meter), die Anreise aus dem Rest der Welt recht beschwerlich, vom tropischen Klima gar nicht zu reden. Kaum ein Team konnte sich den teuren Flug leisten, deswegen war das Feld auch recht übersichtlich. Spitz hatte es freilich auf die Insel geschafft, obwohl sie seit Wochen krank ist. Ein Grippevirus verdarb die Vorbereitung, ein Start beim Weltcup-Auftakt schien ausgeschlossen. Im letzten Moment entschied sie sich, trotz bescheidener Erfolgsaussichten die lange Reise doch anzutreten. Mountainbiker sind nicht zimperlich. Sie können es sich auch nicht leisten.

Sportive Zauberwörter

Außerdem sind sie Trendsetter – und als solche entsprechend gefordert. Etwa jeder neunte Deutsche fährt Mountainbike. Kein Urlaubskatalog ohne das sportive Zauberwort, egal auf welchem Kontinent. Doch die seit 1996 olympische Disziplin MTB Cross Country verharrt immer noch im Mauerblümchen-Status. „Das aktuellste dpa-Bild von Sabine stammt aus Athen“, sagt Ralf Schäuble, Ehemann und Manager von Sabine Spitz. Mit Athen meint er die Olympischen Spiele – im Sommer 2004. Vergangenen Herbst bei der WM in Livigno, dem Saisonhöhepunkt, war kein einziges deutsches TV-Team zugegen, obwohl es mit Spitz, der Olympia-Dritten und Weltmeisterin von 2003, durchaus eine Medaillenhoffnung gab.

Trotz der über Jahre konstant guten Ergebnisse der Südschwarzwälderin – sehr viel mehr als eine Nominierung zur „Sportlerin des Jahres 2004“ sprang medial nicht heraus. Spitz landete im vergangenen Jahr bei jedem Weltcup-Rennen auf dem Podium, sie feierte dreimal den zweiten Platz im Gesamt-Weltcup, war lange Zeit Rang eins der Weltrangliste, holte EM-Bronze 2003 und 2004, überdies WM-Bronze 2001 und 2002. Da musste schon der ehemalige Verteidigungsminister Rudolf Scharping oberster deutscher Radfahrer werden, damit sich die Öffentlich-Rechtlichen im Rahmen ihrer zirka 700-stündigen Tour-de-France-Berichterstattung auch mal die anderen Radsportarten vornahmen. So kam es, dass Sabine Spitz eine Touretappe aus der Nähe erlebte und eineinhalb Minuten lang über Mountainbiken reden durfte. Passenderweise in den Pyrenäen: bei einer Bergankunft.

Absurder Terminkalender

Es bleibt schwierig für Athleten, die von diesem Sport leben wollen. In der vergangenen Saison gab es immerhin schon acht statt sechs Weltcuprennen – und einen absurden Terminkalender: Vom kühlen Kanada ging’s an den Strand von Brasilien und danach hoch auf 2.700 Meter, eine Skistation in New Mexico. Der Athlet als Spielball: Immer häufiger setzt der Weltverband so genannte Triple Events an: Cross Country, Marathon und Downhill – „Sportarten, die nur noch gemeinsame Wurzeln haben, aber verschiedene Welten sind“, erklärt Schäuble, früher selbst Wettkampf-Mountainbiker. Die spektakuläre Disziplin Abfahrt benötigt steiles und somit für Zuschauer unzugängliches Gelände. Cross Country ist dagegen auch in einem hügeligen Park mitten in der Stadt möglich. So wie in Madrid, Ort des zweiten Weltcup-Rennens. Nur: Um dort nicht aus der letzten Reihe starten zu müssen, hat sich Sabine Spitz nach Curaçao gequält. Im Dezember wird sie 35 – da muss man behutsam mit dem Kapital Körper umgehen. Die Belastungen sind schließlich immens: Ihr Pulswert im Wettkampf liegt bei 172 – im Durchschnitt. Vergangenen Sommer musste sie zudem fünf Wochen vor der WM bei der EM in Belgien mit einem Kreuzbandanriss klarkommen.

Ein Ziel treibt sie an: Peking, Olympia 2008. Sie wird dann 36 Jahre alt sein: „Egal, die Kanadierin Alison Sydor ist 39 und immer noch vorn dabei“, sagt Spitz. Diesmal will sie sich besser vorbereiten, nicht so wie vor Athen. Mit Verwunderung betrachtet sie die Entwicklung der asiatischen Konkurrenz: „Vor zwei Jahren sind die noch hoffnungslos hinterher gefahren, jetzt ist eins von den zwei chinesischen Mädels schon erstaunlich weit vorn.“ Doch bis zum Showdown in Peking ist es noch lange hin. Sabine Spitz wird als Ausgleich zum Trainingsalltag ein paar Straßenrennen fahren, vielleicht mal wieder mit ihrem Mann die Transalp Challenge in Angriff nehmen, Club-Aldiana-Gäste auf Zypern ins Mountainbiken einführen und auch ansonsten eher selten im Schwarzwald sein.