Demut deluxe

Von Roberto Carlos verraten, ertrotzt Real Madrid mit Disziplin und der Taktik eines Abstiegskandidaten ein Remis in Barcelona

BARCELONA taz ■ Real Madrid, beschenkt mit neun Europapokalsiegen, verwöhnt von unzähligen magischen Nächten, fand auch an diesem Abend einen Grund zur Freude. Cicinho, der wuchtige Außenverteidiger, klatschte seinen Mitspieler David Beckham ab, begeistert darüber, dass er gerade einen Spieler des FC Barcelona hatte stoppen können. Mit einem Foul.

Erfolge warten überall, man muss sie nur zu erkennen und feiern wissen. Was aber sagt es über den Abend, wenn ein vulgäres Foul größte Begeisterung im Team von Real Madrid auslöst? Alles sagte es über diese Nacht, die eine zauberhafte sein sollte: FC Barcelona gegen Real Madrid, 100.000 auf den steilen Rängen des Camp Nou, das Flutlicht an, und das Geschrei kann die Spieler tragen wie eine Welle. Und dann Jubel über ein Foul. Alles sagte es über dieses Team, laut Tabelle als Zweiter noch immer der größte Herausforderer Barças in der spanischen Meisterschaft. Gehandicapt durch den frühen Platzverweis seines Verteidigers Roberto Carlos, erstritt sich Real das 1:1-Unentschieden so wie auch der der Liga versucht, in Barcelona zu überleben: Mit allen Mann in der eigenen Hälfte, im epischen Abwehrkampf, an das Heldentum ihres Torwarts Iker Casillas appellierend. In der bewegten Geschichte dieses Klassikers war dies nur der Abend der billigen Effekte.

So ging ein Meisterschaftsduell zu Ende, das nie eines war: Barça hält sieben Spieltage vor Saisonschluss einen Vorsprung von elf Punkten – uneinholbar, glaubt Casillas: „In dieser Liga ist der Richterspruch gefallen.“

Andererseits: Seit einer Ewigkeit spielte Real nicht mehr so diszipliniert, so geordnet – so bedingungslos defensiv. Den Ausgleich nach Ronaldinhos frühem Elfmetertor schenkte ihnen Ronaldo beim einzigen Konter. Aber: Real mangelt es weiterhin an Richtung und Verstand. Wie sich Roberto Carlos bereits in 25. Minute wegen Schiedsrichterbeleidigung die rote Karte abholte, war keine Dummheit. Es war schlimmer: Verrat am Teamgedanken. Keine Spitzenelf kann so viele blinde Passagiere durchschleppen wie es Real muss: Von Zinedine Zidane auch am Samstag kein Lebenszeichen, Raúl, ein Schatten auf der Ersatzbank, Beckham mit seinem chronischen Rückenleiden kämpfend. Ob der neue Präsident Fernando Martín der richtige ist, eine neue Dynastie zu gründen, darf bezweifelt werden, nicht nur weil er sich als Immobilienhändler mit den müden Helden seiner Elf geschäftlich verbunden hat; gute Kunden wirft man schwerlich raus. Auch offenbarte er eine erstaunliche Weltfremdheit, als er verkündete, Reals neuer Trainer werde einer der folgenden sieben sein: Und er nannte die sieben berühmtesten von Arsène Wenger bis José Mourinho – von denen kaum einer zu bekommen sein wird. Die Vorschläge seines Sportdirektors Benito Floro, etwa den, Bernd Schuster anzustellen, ignoriert er.

RONALD RENG