„Die Scheren im Kopf“

ANHÖRUNG Bremen lässt sich erklären, wie anonymisierte Bewerbungsverfahren laufen

■ 56, ist Fachdienstleiter Personal bei der Stadtverwaltung Celle.

taz: Herr Birkholz, Celle hat Ende 2010 als erste Kommune das anonymisierte Bewerbungsverfahren eingeführt. Schreiben Sie alle Stellen anonym aus?

Jockel Birkholz: Nein, in den Berufen, in denen es einen Mangel gibt und wir ohnehin nur wenige Bewerbungen bekommen, verzichten wir darauf, weil wir ohnehin alle einladen.

Sie waren damals skeptisch – warum eigentlich?

Als Personaler will man so viele Informationen wie möglich haben: Wie sieht jemand aus, welche Hobbys hat jemand. Und das Verfahren funktionierte ja, warum sollte man etwas ändern?

Ja, und warum?

Als mich der Oberbürgermeister verpflichtete, an dem Pilotprojekt teilzunehmen, kam ich ins Nachdenken. Bin ich wirklich objektiv bei der Auswahl? Wovon lasse ich mich eigentlich leiten? So ein Foto wirkt ja stark nach und wenn ich von einer unverheirateten Frau mit zwei kleinen Kindern lese, dann kann ich denken „Die kann sich durchbeißen“, oder „Die fehlt ständig, weil die Kinder krank sind“.

Und die Alleinerziehenden laden Sie jetzt eher ein als früher?

Das weiß ich nicht. Ich merke nur, dass wir anhand der Bewerbungsformulare, in denen es nur um die Qualifikation geht, eine gute Auswahl treffen. So kann auch niemand dabei sein, der von jemand empfohlen wurde, aber den Anforderungen nicht entspricht.

Und jetzt sitzt Ihnen häufiger als früher eine Frau mit Kopftuch im Vorstellungsgespräch gegenüber?

So einfach ist das nicht. Wenn es darum geht, mehr Menschen mit migrantischem Hintergrund einzustellen, dann muss ja im Vorfeld noch viel mehr getan werden, da geht es um Bildungs- und Ausbildungschancen. Und die Chancengleichheit können wir nur im ersten Schritt des Auswahlverfahrens sicherstellen.

Und im zweiten Schritt?

Mit der Einladung zum Vorstellungsgespräch fordern wir die üblichen Bewerbungsunterlagen samt Zeugnissen an.

Und dann?

Dann sitzen wir im Gespräch und haben wieder unsere Scheren im Kopf. Ob wir wollen oder nicht.  Interview: EIB

Börsenhof A, Raum 416, 14.30 Uhr