Shake Hands und gute Absichten

ATOMGIPFEL Am ersten Tag des Washingtoner Staatentreffens zur Nuklearsicherheit sammelt US-Präsident Barack Obama kleine Erfolgsmeldungen. Wie weit die tragen, bleibt unklar

Sämtliche Vorräte an hoch angereichertem Uran und Plutonium sollen gesichert sein

AUS WASHINGTON DOROTHEA HAHN

Zum Auftakt des Washingtoner Gipfels zur nuklearen Sicherheit kann Barack Obama mit mehreren Erfolgsmeldungen aufwarten: Die Ukraine will ihr hoch angereichertes Uran – genug Material für mehrere Atombomben – noch in diesem Jahr „eliminieren“. Die USA werden Abtransport und „Zerstörung“ übernehmen. Auch Kanada wird mehrere hundert Kilo hoch angereichertes Uran aus seinen „Chalk River Laboratories“ bei Ottawa in die USA abtransportieren.

Der indische Ministerpräsident Manmohan Singh und Pakistans Premier Yousaf Raza Gilani haben sich beim Abendessen am Montag die Hand geschüttelt. Gilani dementiert, dass sein Land seine Atominfrastruktur ausbaue, wie es die New York Times gemeldet hatte. Und Chinas Präsident Hu Jintao ist bereit, größerem Druck auf den Iran zuzustimmen. Eine Gelegenheit, die die Regierungen in Washington, Paris und Berlin nutzen wollen, um noch in diesem Monat verschärfte Sanktionen gegen Teheran durchzusetzen. Eine Sprecherin des Außenministeriums in Peking stellte allerdings am Dienstag richtig, China bestehe weiterhin auf einen diplomatischen Ansatz.

Hauptziel der zweitägigen Großveranstaltung in der US-Hauptstadt, die am Dienstag zu Ende gehen sollte, ist es, die Gefahren von „nuklearem Terrorismus“ einzudämmen. Obama möchte, dass in den nächsten vier Jahren sämtliche Vorräte an hoch angereichertem Uran (rund 1.500 Tonnen weltweit) und an Plutonium (rund 600 Kilogramm) so gesichert sind, dass sie weder gestohlen noch von korrupten GeschäftemacherInnen in undurchsichtige Kanäle verkauft werden können. Zu diesem Zweck hat er die internationale Konferenz mit der größten politischen Spitzenbesetzung organisiert, die die US-Hauptstadt je erlebt hat. Unter anderem hat er acht Atomwaffenstaaten (Russland, China, Indien, Pakistan, Frankreich, Großbritannien, Israel und die USA) versammelt, sowie Dutzende von Ländern, die mit Atomenergie und/oder nuklearer Forschung experimentieren. Im Entwurf der Abschlusserklärung sollen unter anderem Schritte zur Verhinderung von Nuklearschmuggel und zur exakten Buchführung über spaltbares Material festgehalten werden. Auch eine Folgekonferenz 2012 ist geplant. Bis dahin soll sich jedes Land um die Verbesserung seiner nuklearen Sicherheit bemühen.

Den neunten Staat, der Atombomben besitzt – Nordkorea – und den Iran, der seine Nukleartechnik trotz internationaler Proteste weiterentwickelt, hat Obama nicht eingeladen. Aus Teheran kündigte Präsident Mahmud Ahmadinedschad am Montag an, dass er am kommenden Wochenende einen eigenen Gipfel gegen die nukleare Weiterverbreitung abhalten werde. Und dass er die Beschlüsse von Washington nicht akzeptieren werde.

Die Bundesregierung ist in Washington mit einem zweiseitigen Papier über die „Deutschen Beiträge zur nuklearen Sicherung“ angereist. Das Papier beschreibt unter anderen das „integrierte Sicherungs- und Schutzkonzept“ in Deutschland, das den Zugriff Unbefugter auf Strahlenmaterial und „Nuklearterrorismus“ verhindern soll.

Über die Risiken des Hauptkonferenzgegenstands – den „nuklearen Terrorismus“ – liegen bislang kaum Zahlen vor. Obamas Sicherheitsberater John Brennan will wissen, dass al-Qaida seit 15 Jahren nach Material für Atombomben suche und in den letzten acht bis neun Jahren „zahlreiche Beschaffungsversuche unternommen“ habe.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hält das Risiko der neuen „asymmetrischen Bedrohungen“ für „real“. In Washington hat die Bundeskanzlerin erfahren, dass es keine juristischen Mechanismen gibt, um Staaten zu belangen, die Nuklearmaterial an terroristische Organisationen weitergeben. Merkel: „Wir brauchen eine internationale Rechtssicherheit.“

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon will viel weiter gehen. Er will in Washington ein Verbot der Herstellung von waffenfähigem Nuklearmaterial verlangen, „als wichtige Etappe auf dem Weg zur nuklearen Abrüstung“. Doch dafür gibt es in Washington keinen Konsens. Der französische Präsident Nicolas Sarkozy will nicht nur weiterhin versuchen, Atomkraftwerke in alle Welt zu verkaufen. Er duldet auch keinerlei Einmischung in die französische Wiederaufbereitungsfabrik, die unter anderem Plutonium aus benutzten Brennelementen herstellt. Und in Washington erklärte Sarkozy, dass er auch auf Atombomben nicht verzichten wird. Begründung: „Sie sind eine Garantie für die Sicherheit Frankreichs.“

Zu Obamas erklärtem Ziel einer atomwaffenfreien Welt sagt Sarkozy im US-Fernsehen: „Das ist ein Traum.“

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