Kostenloses Grab für alle – damit der Friedhof voll wird

INTERESSENPOLITIK Friedhofsverwalter fordern, das Kommunen jedem Bedürftigen einen Grabstein bezahlen. Platz wäre genug, denn die Konkurrenz ist groß

Wie viele es sind, weiß niemand so genau. Tatsache ist aber, dass nicht alle Menschen zu Lebzeiten über ihre Beerdigung nachdenken und entsprechende Verfügungen treffen. Insbesondere in den Großstädten, den Hochburgen der Singles, werde das zum immer größeren Problem, sagt Bernd Thürling, 2. Vorsitzender des Verbands der Friedhofsverwalter.

„Da sitzen mir immer öfter Angehörige gegenüber und wissen überhaupt nichts über die Wünsche des Verstorbenen: Nicht, ob er Sarg oder Urne möchte und nicht, auf welche Art von Friedhof.“ Über diese Fragen müssten dann die Angehörigen entscheiden.

Und das sei noch der günstigere Fall. „Es kommt auch oft vor, dass man gar keine Angehörigen findet, die das Begräbnis bezahlen könnten.“ In diesem Fall gibt es ein Sozialbegräbnis, das heißt: Eine kostengünstige anonyme Bestattung auf einer dafür vorgesehenen Wiese zum Beispiel.

Wenn jemand diese Anonymität ausdrücklich wünsche, sei es ja in Ordnung. Was aber, wenn nicht? „Für diesen Fall fordern wir, dass die Kommune ein Reihengrab auf einem öffentlichen Friedhof finanziert“, sagt Thürling. Das müsse kommunale Pflichtaufgabe werden.

Der Vorstoß ist neu und soll erstmals offiziell auf der Friedhofskulturellen Tagung Ende September in Hamburg erhoben werden. Thürling begründet die Forderung mit der Würde des Verstorbenen. Unabhängig davon würde eine Neuregelung aber natürlich dazu führen, dass die Steinmetze Aufträge bekämen. Und die Friedhöfe würden mit der Grabpflege beauftragt.

Platz für weitere Gräber gäbe es übrigens genug. Denn angelegt wurden die meisten Friedhöfe vor 100 Jahren, und ihre Größe orientierte sich an der Bevölkerungsdichte drumherum. Außerdem waren sie für die Sargbestattung gedacht. Inzwischen aber gebe es etwa in Berlin, wo er selbst einen evangelischen Friedhof verwalte, zu 75 Prozent Urnenbestattungen, sagt Thürling. Und da Urnen wesentlich kleiner sind als Särge, gibt es viel überschüssigen Platz.

Beunruhigt ist Thürling auch angesichts eines Vorstoßes des Landes Bremen, das den Angehörigen erlaubt hat, Urnen nicht sofort beizusetzen, sondern zwei Jahre lang zuhause aufzubewahren. „Aber wer prüft, was nach den zwei Jahren passiert?“ Wenn da massenhaft Beisetzungen wegbrächen, hätten die nicht-kommunalen Friedhöfe, die wirtschaftlich arbeiten müssten und ohnehin mit Seebestattern und Ruhewäldern konkurrierten, ein Problem.

Dem sucht man durch die Forderung nach kostenfreier Bestattung beizukommen. Ob er damit durchkommt, weiß Thürling nicht. „Natürlich werden die Kommunen sagen, sie hätten kein Geld“, räumt er ein. „Aber einen Versuch ist es wert.“  PS

Friedhofskulturelle Tagung des Verbands der Friedhofsverwalter Deutschlands: 25. bis 27. September, Hamburg