Noch grün hinter den Ohren

Vier bisher weitgehend unbekannte KandidatInnen haben bei den Grünen sichere Listenplätze für die Abgeordnetenhauswahl im September errungen. Sie werden das Gesicht der Fraktion auffrischen

Bilkay Öney:

Es passte perfekt zur grünen Parteitagsdramaturgie, dass ganz Deutschland diskutiert, was auf einem Neuköllner Schulhof so los ist. Die 35-jährige Bilkay Öney präsentierte sich den Mitgliedern als ausgewiesene Integrationsfachfrau und wurde unumstritten auf dem dritten Listenplatz platziert. Ehrenamtlich sitzt sie im Vorstand des Vereins IMA, der Sozialberatungen für Migrantinnen anbietet. Ihr Beruf könnte ihr helfen, die komplizierten Zusammenhänge der Migrationspolitik am Rednerpult anschaulich zu machen: Öney, in der Türkei geboren und seit 1972 in Berlin lebend, arbeitet als Fernsehredakteurin und Moderatorin bei TRT, der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt der Türkei. In ihrem Vorstellungsbrief an die Mitglieder legt sie den Schwerpunkt auf Integration, flicht aber auch die Themen Wirtschaft und Medien ein. Immer nach dem Motto „Was im Lebenslauf steht, passt auch ins Parlament“. Öney will die ethnische Ökonomie fördern. Sie hat an der Technischen Universität BWL studiert. Außerdem setzt sie sich, ganz Journalistin, für eine zeitgemäße Medienpolitik ein. US

Michael Schäfer:

Sein Bewerbungsschreiben an die Grünen-Mitglieder hat der Umweltfachmann knackig formuliert. „Fünf Vorhaben für fünf Jahre“ steht drüber, einer seiner Vorschläge lautet „Berlin spart ein Kraftwerk“. Michael Schäfer hat mal als Werbetexter gearbeitet, aber seine Neigung zu Schlagzeilen entdeckte er woanders: „Beim BUND haben wir sehr projektorientiert gearbeitet.“ Bei dem Umweltverband hat der 33-Jährige seine politische Lehrzeit absolviert, er machte etwa der Bundesregierung beim Kampf gegen Kohlendioxid Dampf. 1994 bis 1998 war er Bundessprecher der BUNDjugend, zwei Jahre saß er im Bundesvorstand. Seine Vorstellungsrede vor der Parteibasis wirkte unsicher, dennoch schaffte Schäfer es auf Platz 6 der Landesliste – damit ist ihm der Parlamentssitz sicher. Kraftwerke überflüssig machen, Jobs im Bereich erneuerbarer Energien schaffen, Solarhauptstadt aufbauen – Schäfer hat eine urgrüne Weste, das macht ihn den Mitgliedern sympathisch. Auch wenn eine Karrierestation umstritten sein dürfte: Er leitete bis 2005 das Büro von Bundeschef Reinhard Bütikofer. US

Anja Schillhaneck:

Die Fachpolitikerin war bisher vor allem hinter den Kulissen aktiv. Anja Schillhaneck sitzt bereits seit vier Jahren im Abgeordnetenhaus – zwar nicht als Abgeordnete, dafür aber als Referentin für Wissenschafts- und Hochschulpolitik. Sie kennt den Laden. Obwohl bereits seit 1995 Mitglied bei den Grünen, hat die 33-jährige Urberlinerin keine traditionelle Parteilaufbahn hinter sich, sondern war vor allem außerparlamentarisch aktiv. Sie war im Antifa-Bereich tätig, kandidierte an der Technischen Universität auf linken Basisgruppenlisten, koordinierte die Berliner Studierendenvertretungen auf der Landes-Asten-Konferenz und saß im Frauenbeirat. Und dennoch ist sie im Landesverband der Berliner Grünen bekannt. Ihr politisches Credo: Das Recht auf Bildung gilt für alle. Sie spricht sich gegen „Studiengebühren aller Erscheinungsformen“ aus und fordert, dass die Zahl der Studienplätze in Berlin wieder auf über 100.000 aufgestockt wird. Ihr Sitz im Abgeordnetenhaus ist mit Listenplatz 9 sicher. Ihr guter Ruf als Fachpolitikerin eilt ihrer Wahl im September voraus. FLEE

Benedikt Lux:

Er ist links, jung und keineswegs unerfahren. Denn der erst 24-jährige Benedikt Lux hat bereits 10 Jahre grüne Parteiarbeit hinter sich. Aufgewachsen im idyllischen Lichterfelde, gehörte der Halbkoreaner Ende der 90er-Jahre zu denen, die die Grüne Jugend (GJ) in Berlin maßgeblich aufgebaut haben. Damals war die Nachwuchsorganisation in der Stadt quasi nicht existent. 2003 war Lux bereits GJ-Bundessprecher. Im Abgeordnetenhaus will der Jurastudent, dem nächste Woche noch das erste Staatsexamen bevorsteht, seinen Schwerpunkt auf Innen- und Rechtspolitik legen – und damit Fraktionschef Volker Ratzmann unter die Arme greifen. Lux spricht sich gegen die „unmenschlichen Abschiebebedingungen“ aus und findet, dass die überzogene Verfolgung bei Haschischbesitzern unnötig Kräfte bindet, „die bei der Korruptionsbekämpfung gebraucht werden“. Die Sympathien bei den Grünen hat der smarte Linksaußen auf seiner Seite. Eine ältere Grüne sagte bei der Abstimmung am Samstag: „Der war bei der Antifa und sieht gut aus. Den wähle ich.“ FLEE