Frühlingsgefühle in der Foxybar

Das kleine Wahrheit-Frühlingslexikon mit den wichtigsten Begriffen zur kommenden Jahreszeit

Frühling: Grundsätzlich ein Alarmzustand in der Natur und beim Menschen. Gewarnt werden muss vor Frühjahrsaktivisten, die mit einem Mal alle „Raus an die frische Luft!“ (Durch die Wiesen! Auf die Bäume! Ins Meer!) rufen und dann was „unternehmen“ wollen: (Inlinerlaufen! Frisbeewerfen! Mountainbiken! Walken! Tretboot fahren! Schiffe versenken! Um die Wette im Sand vergraben!). Das dauert so lange, bis es einfach zu heiß ist für die ganze Aufregung und längst schon wieder Sommer. Leider gar nicht im Frühling angesagt: Ein Glas Wein trinken und gute Gespräche führen (vergleiche auch: „Herbst“).

Frühlingsgefühle: Verwirrend, schön, aber nicht immer ungefährlich. Besonders, wenn der Nachbar Harley Davidson fährt und einen unter vier Augen aufklärt: „Wenn bei uns im Motorradklub einer was mit ’ner Frau von ’nem andern hat und die kriegen das raus, dann reißen sie ihm die Eier ab.“ Merke: Auch im Zeitalter der Beliebigkeit trifft man noch auf soziale Zusammenhänge mit fest etabliertem Wertesystem. Vergleiche dazu auch „Frühlingsdreieck“: Dreieck aus den Sternen Regulus (im Sternbild Löwe), Arktur (Bärenhüter) und Spika (Jungfrau), das sich am Frühjahrshimmel bildet und kein Motorrad darstellt.

Frühjahrsmüdigkeit: Heute vor allem durch Allergien zu erklären, früher eher faule Ausrede, warum der Hormonstau nicht durchbricht und zur Migräne führt. Inzwischen weiß jeder, dass tatsächlich niemanden die Frühjahrsmüdigkeit oder vielleicht die … (entschuldigen Sie, ich muss gerade mal eine Pause machen. Sie müssen allein weiterschreiben, bitte einfach ankreuzen:) Lethargie / Lakonie / Melancholie / Liturgie / erfasst / vereinnahmt / übermannt / überwältigt. Niemand war je / schon oft / immer / nie ohne Arbeit / ohne Zutun / ohne Zobel / mit Ozonloch / so erschöpft / geschafft / erweckt / ganz / völlig / total / gar nicht / zu transpirieren/ transkribieren / transrapidieren / transsibirien. (So, da bin ich wieder. Jetzt müssen Sie nur noch:) dösen / lesen / durchsaugen oder aufgeregt im Kreis laufen – und schon ist die Frühjahrsmüdigkeit wie weggeblasen.

Frühjahrsputz: Ein Freund berichtet, seine Freundin habe sich bei ihm über die dreckige Dusche in der gemeinsamen Wohnung beschwert. Er sei daraufhin in das Bad gegangen und habe sich die Dusche „lange und gründlich angeschaut“. Ergebnis: „Ich weiß bis heute nicht, was sie gemeint hat.“ Anschließend habe er die Dusche einmal kurz ausgespült.

Frühlingsgedichte: „Die schnelle Nummer“ von Ludwig Uhland („Die heißen Hüften sind erwacht“), „Wilde Rhythmen in der Foxybar“ von Joseph von Eichendorff („Heiße Luft kommt schwül geflossen, heute, heute soll es sein!“), Emanuel Geibels Altersdichtung „Kein Fräulein schaut mich heut noch an / ich glaub, ich muss Mercedes fahr’n“ (aus: „Es muss doch noch mal Frühling werden“) und selbstverständlich Eduard Mörikes bekanntes Lied „Fröhliches Schlammschmeißen im Harlinger Watt“. (Bitte alles spätestens bis zum nächsten Frühling auswendig lernen und szenisch interpretieren.)

Frühjahrskollektion: Motto: Zurück zur Natur, das heißt, alles irgendwie frischer und bunter, auf jeden Fall leichter und lässiger, aber auch ein bisschen frecher. Damenhüte aus mundbehauenem Marmor, Herrensakkos aus ganzer Eiche, Kinderstiefel aus Staubkreide. Dazu passend: Opas Maxi-Pumps in der praktischen Schubladenform und Omas Dachziegelröcke aus ungebranntem Lehm, falls es mal etwas festlicher zugehen soll. Aber bitte immer daran denken: Nur Angela Merkel trägt jetzt noch lilafarbene Hosenanzüge.

Zweiter Frühling: Im Herbst des Lebens noch mal richtig Radau machen. Ein bisschen so wie Frühling aus zweiter Hand. Mehr wäre auch ungesund.

Gegenfrühling: Antizyklisch handeln und den Worten von Meister Eckhart folgen: „Wenn man sich diese ganze aufblühende Natur mal wegdenkt, diese Aufbruchsstimmung und den Ausbruch von Lebenslust, dann ist der Frühling wirklich nichts weiter als eine ganz gewöhnliche Jahreszeit.“ JAN ULLRICH