Eine für alle

PRODUKTTEST Diese Blumenvase ist flexibel: Sie lässt sich formen und sagt Ja zu jedem Strauß

Lebenserfahrung, das ist so eine Sache. Da sammeln sich die Jahre auf dem Buckel und trotzdem: Nur wenige nennenswerte Erkenntnisse haben sich in all der Zeit herauskristallisiert. Dass Liebe wehtut vielleicht. (Ein Glück, denn damit ist große Literatur besser zu verstehen.) Dass Kinder widersprechen. (Diese Erkenntnis hätte nicht sein müssen, es sei denn, der Satz ist aus der Ich-Perspektive geschrieben. Was für eine Freude war es doch zu widersprechen, damals.) Dass Schlüssel in der Hosentasche den Stoff verschleißen und hinfort dort ein Loch ist. (Ja, dieses Geheimnis ist nun auch gelüftet.) Und noch eine ganz wichtige Erkenntnis: Dass, egal wie viele Vasen sich auf dem Regal sammeln, zum Blumenstrauß, der mir gerade geschenkt wurde, keine passt. Niemals.

Wer sich mit dem Blumenvasenwesen beschäftigt, hätte schon längt erkennen können, dass sich an Blumenvasen das Dilemma der modernen Gesellschaft spiegelt: Individualität, Einzelgängertum, Eigensinn. Mit all seinen negativen Folgen: Arbeitslosigkeit, Entsolidarisierung, Abstellgleis, Müll. „Generation Blumenvase“ also.

Und nun das: eine Blumenvase, die all das nicht hat. Eine ganz Moderne, eine, die sich anpasst, eine Jasagerin. Aus Plastik ist sie, und wer sie mit warmem Wasser füllt, kann sie beliebig formen – groß, klein, gestreckt, gestaucht, geknüllt, krumm, gerade – wie es beliebt.

Diese Blumenvase macht keine Probleme. Sie ist flexibel, sie ist gut zu verstauen, sie ist mobil und in allen Farben erhältlich, sie passt in kleine Wohnungen und es gibt sie nicht nur teuer, sondern auch beim Discounter zum Minipreis. Es ist, das muss ganz klar gesagt werden, die Blumenvase der Wirtschaftsliberalen, Marktfetischisten, der Kapitalisten, denn – und jetzt kommt es – diese Vase nimmt jeden Strauß.

WALTRAUD SCHWAB