Fragen, keine Antworten

Darf man mit Philipp Rösler über seine Herkunft, sein Aussehen und Rassismus sprechen? Die taz meint ja, solange es Rassismus in und außerhalb der FDP gibt. Deshalb führte sie mit Parteichef Rösler ein Interview über Koalitionsstreit und Steuerpolitik, aber auch über Hassmails, Röslers leibliche Eltern aus Vietnam und Rainer Brüderles Vergleich zwischen Bambusrohr und deutscher Eiche. Es war ein angeregtes Gespräch. Das Interview sollte Teil einer Serie werden, das Spitzen- politikerInnen mit schwierigen Themen konfrontiert. Bei Rösler schlugen wir „Hass im Wahlkampf“ vor. Dann gab seine Pressestelle das Interview nicht frei. Aus Protest gegen diese rigide Autorisierungspraxis veröffentlichte die taz nur die Fragen

■ betr.: „Philipp Rösler über Hass“, wahl.taz vom 10. 9. 13

Ich finde die Frage berechtigt, inwiefern Rösler als Politiker Rassismus erlebt, insbesondere im Wahlkampf. Aber reichen da nicht ein oder zwei Fragen, um diesen Themenbereich abzudecken? Des Weiteren finde ich es wichtig, auf respektvolle Formulierungen zu achten, die keinen Rassismus reproduzieren und nicht stundenlang in Kindheitstraumata herumbohren oder Bambusrohre zum Vergleichsmittel machen. Keine einzige Frage richtet sich an Rösler aus einem politischen Interesse an seinen Positionen. Ihr Interview nimmt ihn weder als Mensch, noch als Politiker ernst. Seine Entscheidung, das Interview nicht frei zu geben, war berechtigt. MELANIE BREINIG, Trier

■ betr.: „Philipp Rösler über Hass“, „Autorisierung“, taz vom 10. 9. 13

Ich teile weitaus häufiger politische Positionen, die ich, wenn man das überhaupt so pauschal sagen kann, mit der taz assoziieren würde, als Positionen, die die (heutige) FDP vertritt. Umso mehr ist es mir unerklärlich, dass Sie dieses Interview so geführt haben. Sie hätten die Absage der FDP – auch wenn das gemachte „Gegenangebot“ natürlich nicht akzeptabel ist – als gute Gelegenheit nutzen sollen, das Interview zu überdenken und nicht zu bringen.

Natürlich macht es Sinn, in Hintergrundgesprächen Probleme wie Alter oder rassisch bedingten Hass auszuloten. Das ist aber erstens völlig misslungen; die Art der Fragestellung erweckt vielmehr den Eindruck, dass die Fragenden in dieser Hinsicht mindestens befangen sind. Und zweitens ist das eine Sache eben für den Hintergrund.

Kurz vor einer Bundestagswahl möchte ich in einem Interview mit einem Politiker etwas über seine Ziele und Standpunkte hören. Da gäbe es ja bei Herrn Rösler genug zu diskutieren. HELGE HUSSMANN, Mainz

■ betr.: „Journalistisches Handwerk“, taz vom 11. 9. 13

Rösler wäre besser nicht in dieser Position – ganz sicher aber nicht wegen seines Aussehens. Die FDP hat aber bemerkt, dass das fortgesetzte Meucheln nicht mehr wiederholt werden darf. Trotzdem will ich festhalten, dass Ihr Interview bei den persönlichen Fragen unnütz penetrant war.

Dass Philipp Rösler ein Interview gibt, das dann nicht veröffentlicht werden darf, ist eine gigantische Fehlleistung. Er hätte sofort darauf bestehen sollen, dass es keine weiteren, derartigen Fragen mehr gibt oder abbrechen müssen.

Dass Interviews überdacht oder gar zurückgezogen werden können, hätte ich mir nicht vorstellen können, es verstärkt meine Sorge um unsere Demokratie und das politische Personal gewaltig. JOHANNES BAUER

■ betr.: „Journalistisches Handwerk“, taz vom 11. 9. 13

Ein Interview, das zu gefühlten 80 Prozent aus Fragen zum Aussehen und der Herkunft von Philipp Rösler besteht, ist niveaulos und in der Art, wie die Fragen gestellt wurden, auch rassistisch. Regenbogenpresse-Niveau. Herkunft und Aussehen von Herr Rösler sind hinreichend bekannt und haben nichts mit seiner politischen Einstellung und seinen Vorstellungen zu tun. Und über diese möchte ich informiert werden. Ein Gespräch über Rassismus hätte einer anderen Fragestellung bedurft.

Ich war jedenfalls äußerst verärgert über diese Seite und finde auch nach den Einlassungen von Ines Pohl dafür keine Rechtfertigung.

ELISABETH STEINLE-PAUL, Stuttgart

■ betr.: „Journalistisches Handwerk“, taz vom 11. 9. 13

Herr Rösler macht eine schreckliche, antisoziale Politik. Darüber kann und soll man hart mit ihm streiten. Herr Rösler erfährt fiese, rassistische Angriffe aufgrund seiner Herkunft, zum Beispiel von seinem Partei„freund“ Brüderle. Auch darüber kann und soll man streiten, aber doch bitte mit den Angreifern.

Herr Rösler hat sich offenbar entschieden, sich mit seiner Herkunft nicht intensiver zu beschäftigen. Darüber kann man denken, wie man will, aber es ist sein gutes Recht. Die Art und Weise, wie die taz-InterviewerInnen Rösler penetrant nötigen, zu seiner Herkunft und den Angriffen auf ihn Stellung zu beziehen, ist widerlich.

Noch mehr erschreckt mich, dass die taz-Chefredakteurin so etwas als „journalistisches Handwerk“ bezeichnet. HANNES CLASSEN, Hamburg

■ betr.: „Philipp Rösler über Hass“, wahl.taz vom 10. 9. 13

Ich bin noch nicht lange taz-Leserin und war in letzter Zeit überzeugt durch die Themenvielfalt und Akzentsetzung Ihrer Zeitung. Ich habe gerade das Thema Rassismus- und Vorurteilsbekämpfung als besonders präsent wahrgenommen. Bislang wurde dieses von einem angemessenen Ton begleitet. Es gibt noch immer viel Rassismus und Intoleranz, ja auch „Hass“ in Deutschland. Aber ein solches Interview wie das mit Philipp Rösler geführte behandelt dieses Thema mit der falschen Intention.

Wenn man ein Interview mit einem Betroffenen zum Thema Rassismus führt (und die Frage, ob Philipp Rösler tatsächlich dieser Betroffene ist, sollte nicht Ihre, sondern seine Wahrnehmung darstellen), dann führt man es mit der Intention, dieser Intoleranz entgegenzuwirken. Das muss der Anspruch des Journalismus sein.

Das geführte Interview hat auch einen Akzent gesetzt. Es hat den Akzent gesetzt auf den „Hass“ in den Köpfen einiger Menschen. Und ohne Ihren Redakteuren diesen „Hass“ unterstellen zu wollen, es hat einen Menschen durch diese Fragen auf seine Herkunft reduziert und ihn dazu gebracht, sich rechtfertigen zu müssen.

Pressefreiheit muss in unserer Gesellschaft einen Platz haben und Spielregeln sind einzuhalten. Aber Gleichheit, Würde und die Spielregeln einer toleranten Gesellschaft sind ebenso wichtig.

Das Thema „Hass“ spielt eine Rolle in der Gesellschaft. Es spielt unter Umständen eine Rolle in Röslers Leben. Es darf eine Rolle in Ihren Artikeln spielen. Aber Ihre Zeitung sollte ein Mitspieler unter fairen Spielregeln sein, kein Mitspieler dieses Hasses. NORA KOLHOFF, Berlin

■ betr.: „Im Zweifel für die Flexibilität“, „Krabat“ darf man nicht schwänzen“, „Asmae muss schwimmen gehen“, taz vom 12. 9. 13

Unsere Schulen, unsere Lehrer sind leider schon allzu oft vom Staat bei der Durchsetzung der Schulpflicht allein gelassen worden. Im Übrigen auch dabei, wenn diese vorsätzlich verletzt wird. Die Schulpflicht darf kein Warenkorb mit Angeboten sein, aus dem sich die unterschiedlichen religiösen Gruppen in unserem Land eine Stundentafel zusammensetzen.

Der von Ihnen gewählte Vergleich mit dem Angebot in Schulkantinen ist nicht nur völlig deplatziert, sondern zudem von jedem Lehrer schon als zynisch zur Kenntnis zu nehmen. Was im Unterricht (außer im Religionsunterricht) geschieht, legt der Staat fest, danach richten sich unsere Pädagogen, das ist auch gut so und darf sich keinesfalls ändern.

Daher ist das Leipziger Urteil äußerst wohltuend für unsere Schulen, stärkt den Erziehern den Rücken und ruft nicht den Sommerschlussverkauf in unseren Schulen aus. SEBASTIAN SIMIC, Essen

■ betr.: „Im Zweifel für die Flexibilität“ von Daniel Bax, taz vom 12. 9. 13

Siebziger Jahre und Lehrer in der Schule. Heftige Auseinandersetzungen mit konservativ-christlicher Eltern- und Lehrerschaft. Sexuelle Aufklärung à la Bravo kritisch unter die Lupe genommen; Kurzgeschichten und Romane, in denen jugendliche Sexualität thematisiert wurde; Streit um Einladung der homosexuellen Gruppe „Brühwarm“ zu einem Auftritt in der Schule; Aufführung von „Was heißt hier Liebe?“ des Theaters Rote Grütze; heftige Diskussion nach Podiumsdiskussion über Homosexualität und, und, und …

Auf alles das, lieber Daniel Bax, hätte man natürlich auch damals um des lieben Friedens willen „im Zweifel verzichten“ können. Wie oft habe ich mir anhören müssen, dass es besser ist, „wenn alle Seiten aufeinander zugehen“! „Pragmatismus“ statt Dogmatismus! „Kompromiss“bereitschaft und „Abwägung zwischen verschiedenen Grundrechten“! Dabei ging es nie um Indoktrination (das wollten die Konservativen), sondern um offene Diskussion. Noch im Nachhinein bin ich froh, standgehalten zu haben. Vielleicht für die/den ein oder andere/n und mich selbst ein klitzekleiner Anstoß zur Emanzipation.

Jetzt wieder zurück? Diesmal im Namen eines islamischen statt eines christlichen Konservativismus?

Ihr Autor Daniel Bax meint: „Eine vielfältige Gesellschaft muss flexibel bleiben.“ Früher nannte man das repressive Toleranz.

MICHAEL STOFFELS, Kempen