leserinnenbriefe
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Vorhersehbar und müßig

■ „Horror, Hardcore-Physik und Klassenkampf. Das Dath-Kontinuum“, taz vom 13. 4. 10

Aram Lintzels Kritik an Dietmar Daths politischer Haltung ist ein Paradebeispiel dafür, wie die liberale Linke mit unbequemen Ansichten links von ihr umgeht. Daths Position wird als exzentrische Grille eines Autors hingestellt, den man sonst gern bereit wäre zu tolerieren, sogar zu mögen, würde er nicht hier und da durch politisch seltsam unkorrekte Äußerungen Anstoß erregen.

In diesem Zusammenhang bietet es sich natürlich an, zur Sicherheit gleich Slavoj Žižeks Theorien als weitgehendes sinnfreies Kuriosum hinzustellen, um das man sich nicht groß zu kümmern braucht. Und wieso? Da man sonst einsehen müsste, dass die eigene liberale Kritik aus der Perspektive dieser beiden Autoren nicht weniger vorhersehbar und müßig erscheint, als man es ihnen selbst vorwirft.

PATRICK KOKOSZYNSKI, Mannheim

„Titanic“ verschiebt den Diskurs

■ betr.: „Darf der Priester Jesus lecken?“, taz zwei vom 9. 4. 10

Wieso interessieren bei der Debatte um das aktuelle Titanic-Cover denn religiöse Gefühle? Viel bemerkenswerter ist doch, wie die Titanic eine Diskursverschiebung in Gang setzt: Auf einmal geht es nicht mehr darum, welche institutionellen, insbesondere katholischen Strukturen Missbrauch ermöglichen, sondern darum, was Satire darf und was nicht. Anders ausgedrückt: Im momentanen Aufmerksamkeitsschub wollte die Titanic auch mal wieder wahrgenommen werden, und zwar mit ihren eigenen Themen.

Damit erweist sie der wichtigen Auseinandersetzung mit kirchlichem und sonstigem Machtmissbrauch einen Bärendienst. Natürlich hat es die katholische Kirche verdient, hart angegriffen zu werden. Aber die durch das Cover ausgelösten Diskussionen drehen sich eben nicht um die absurde Sexualmoral oder die autoritären Strukturen einer viel zu einflussreichen Institution, sondern um religiöse Gefühle und deren nerviges Schutzbedürfnis. Beides hat nur bedingt miteinander zu tun. Das Titanic-Cover legt also gerade nicht den Finger in die Wunde – die ist schon offen, dafür war Satire nicht nötig –, sondern lenkt von ihr ab und macht ein ganz anderes Fass auf.

Ergebnisse: Die katholische Kirche profitiert, indem sie sich als Opfer darstellen und die eigentlichen und viel heikleren Fragen ausblenden kann. Die Titanic kann ihrer eigenen Eitelkeit frönen. Und die Vielzahl von Leuten mit Missbrauchserfahrungen – die ja vielleicht auch von Interesse sein könnten – können vermutlich nicht so arg über das Bild lachen. ULRIKE MÜLLER, Berlin

„Für wie blöd hält die FDP uns?“

■ betr.: „16 Milliarden Euro Steuersenkungen“, taz vom 14. 3. 10

Für wie blöd hält die FDP uns? Wenn die Steuersätze für Einkommen zwischen 8.000 und 53.000 Euro im Jahr gesenkt werden, profitieren mitnichten ausschließlich diejenigen, deren zu versteuerndes Einkommen in diesem Bereich liegt. Sondern auch all diejenigen, deren zu versteuerndes Einkommen darüber liegt. Und zwar exakt mit der Steuerersparnis, die sich bei einem zu versteuernden Einkommen von 53.000 Euro ergibt. Denn auch wer ein höheres Einkommen hat, zahlt für die ersten 8.000 Euro keine Steuern und für die nächsten 45.000 Euro die Steuersätze, die die FDP senken will.

UTE FINCKH, Berlin

Eine minimale Grünphase

■ betr.: „Von Beust feiert sich“, taz vom 13. 4. 10

Die Argumentation von Ole von Beust klingt strategisch nachvollziehbar. Schließlich gibt es für die Hamburger CDU mit der SPD und der GAL nur zwei realistische Koalitionspartner, wobei Letzterer nicht nur wegen seiner geringeren Größe wesentlich pflegeleichter und wie ein unstacheliger Igel erscheint. Daher entspricht jenes Bündnis fast schon einem Glücksfall für die Christdemokraten. Sieht man einmal von der Schulreform-Problematik ab, die die Partei dazu zwingt, öffentlich für etwas Farbe zu bekennen, wofür sie eigentlich gar nicht steht. Aber dies ist auch schon der einzige schmerzhafte Kompromiss, da – anders, als es der Bürgermeister gerne verkündet – keine Verbindung von Ökonomie und Ökologie stattfindet, sondern lediglich schwarz-grüner Kuhhandel. Und der Klimaschutz dort herhalten muss, wo man eigentlich anderes im Schilde führt, wie bei den Ampelschaltungen, die Fußgängern nur noch den Bruchteil einer Sekunde zum sicheren Überqueren vieler Straßen lassen. Eine minimale Grünphase sinnbildlich dafür, wie wenig sich davon im Senat wiederfindet! RASMUS PH. HELT, Hamburg